Keine informationelle Drangsalierung von MitarbeiterInnen der Prostitution durch das anstehende Prostituierten-Schutz-Gesetz

Schuetze/ Mai 14, 2015/ Gesundheitsdatenschutz, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung/ 0Kommentare

Die Bundesregierung hat im August 2014 ein Eckpunktepapier zur Einführung eines Prostituiertenschutzgesetzes vorgelegt. Im Februar 2015 wurde durch ein weiteres Papier die darin enthaltene Anmeldepflicht für Prostituierte präzisiert.

Die Anmeldepflicht für Prostituierte ist ein besonders tiefer Eingriff in die Berufsfreiheit. Dier Beruf lebt teilweise auch von der Anonymität der Berufsausübenden. Dieser Bereich wird mit einer Anmeldepflicht unnütz kriminalisiert. Die Geschichte dieses Berufszweiges hat gezeigt, dass keine Form der Berufsausübung je erfolgreich verboten wurde, sondern immer nur Bereiche davon in die Kriminalität abgedrängt wurden. Das hilft aber nicht den SexarbeiterInnen, sondern schadet ihnen durch Stigmatisierung ihrer Berufsausübung und daran anknüpfende behördliche Willkür. Dies gilt nicht nur die anonyme Berufsausübung, sondern auch für den Bereich des Flatrate-Sexes, der nun verboten werden soll.

Bei der Anmeldung ist der Nachweis über eine medizinische Zwangsberatung vorgesehen. Hiergegen haben sich die Organisationen der Amtsärzte und der Gesundheitsämter bereits kritisch geäußert. Nur freiwillige Beratungen können das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient unterstreichen. Pflichtberatungen zerstören dieses Vertrauensverhältnis und stellen bereist erfolgreich laufende Beratungsprogramme für SexarbeiterInnen wieder infrage. MigrantInnen und AusländerInnen mit zweifelhaftem Aufenthaltsstatus haben oft keine Krankenversicherung – für sie ist der Amtsarzt die einzige verfügbare Gesundheitsversorgung, die durch vertrauenszerstörende Maßnahmen nicht infrage gestellt werden dürfen.
Insbesondere kennt das Gesetz in § 19 des Infektionsschutzgesetzes bereits das Prinzip der freiwilligen und anonymen Beratung und Untersuchung durch Amtsärzte. Dieser Grundsatz würde durch das Prostituiertenschutzgesetz ohne erkennbare Not durchbrochen.

Eine Sonderbehandlung für SexarbeiterInnen unter 21 Jahren mit einer häufigeren Zwangsberatung und häufigeren behördlicher Kontrolle durch seine/ ihre Anzeigepflicht ist nicht nachvollziehbar. Ein/e SoldatIn in diesem Alter kann sich für unser Land erschießen lassen, die gleiche Person muss nach dem Willen der Bundesregierung Einschränkungen in ihrer freien Berufswahl hinnehmen. Diese doppelte Moral ist nicht gerechtfertigt.

Keine der infrage kommenden Behörden – Gewerbeaufsichtsämter, Polizei – ist qualifiziert, die „Einsichtsfähigkeit“ von Berufsträgern zu prüfen. Ja die Vorstellung, dass diese Berufswahl vornehmlich von ‚Minderbemittelten‘ ausgeübt würde, trägt ihrerseits zur Stigmatisierung des Berufes bei, statt diese Berufsgruppe zu unterstützen.

Eingriff in die Privatheit der Wohnung (Art 13 Grundgesetz). Sogar soll die Wohnung als Prostitutionsstätte der Erlaubnispflicht unterliegen und hier sollen auch behördliche Auflagen möglich sein. Dies setzt eine Kontrolle – ohne richterliche Anordnung – der Wohnungen voraus, was ein erhebliches behördliches Eingriffsrecht in die Privatheit der Wohnung bedeutet. Schließlich könnten von behördlichen Kontrollmaßnahmen auch Wohnungen betroffen, die nur der Wohnungsprostitution verdächtigt werden – der Schaden ist gar nicht abzusehen.

Das Vorhaben der Bundesregierung legt auch nahe, dass die Länder die Polizei als Überwachungsbehörde einsetzen können. Als Gefahrenabwehrbehörde geht diese aber gegen sogenannte „Störer“ vor. Damit würde ein ohnehin von Stigmatisierung bedrohter Beruf weiter diskreditiert. Das angebliche gesetzliche Ziel, die SexarbeiterInnen zu schützen, wird konterkariert.

Es ist wieder einmal so weit. Statt vorhandene freiwillige Beratungsangebote mit mehr Geld und Personal auszustatten, statt die Polizeibehörden, die gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution vorgehen, mit mehr Geld und Personal auszustatten, wählt die Politik den billigsten Weg: Freiheitsrechte, insbesondere der Informationellen Selbstbestimmung, derer zu beschneiden, die nicht die Ursache des Problems sind, aber die eher am Rande der Gesellschaft stehen und sich am wenigsten wehren können.

Roland Schäfer

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