Stellungnahme des Magistrats zur Sicherheit im Frankfurter Bahnhofsviertel: Klarheit und Wahrheit sieht anders aus!

CCTV-NeinDanke/ Januar 6, 2025/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD), Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 1Kommentare

Am 05.08.2024 hat der Magistrat der Stadt Frankfurt einen Bericht veröffentlicht zum Thema Lebenswertes Bahnhofsviertel – bessere Lebensverhältnisse, konfliktärmeres Zusammenleben, Sicherheit und Sauberkeit“ (B 298/2024). Die zuständigen Ausschüsse haben dazu bislang nicht Stellung genommen, sondern die Beratung dieser Vorlage mehrmals zuzurückgestellt. Am 23.01.2025 steht der Magistratsbericht erneut auf der Tagesordnung des Ausschusses für Diversität, Zusammenhalt, Beteiligung und Europa.

Im Abschnitt Videoschutzanlage und Waffenverbotszone zeigen Wirkung erklärt der Magistrat: 228 identifizierte Tatverdächtige seit Beginn des Jahres – das ist die erste Zwischenbilanz der Frankfurter Polizei zu den neuen Videoschutzanlagen der Stadt Frankfurt am Main (Stand 05/24). Die Stadt Frankfurt am Main ist Eigentümer der stationären Videoschutzanlagen, die Polizei Frankfurt jedoch alleinige Nutzerin. Die Kameras bilden auf der Achse vom Kaisertor bis zum Allerheiligenviertel drei Videoschutzzonen: Im Bahnhofsgebiet, an der Hauptwache sowie an der Konstablerwache. Allein die Kameras im Bahnhofsgebiet trugen dabei bislang zur Identifizierung von 178  Beschuldigten bei. Polizeipräsident Müller gibt an, dass so in diesem stark kriminalitätsbelasteten Bereich die Maßnahmen der Polizei zukünftig mit fortschrittlichster Technik noch besser als bisher unterstützt und ergänzt werden können. In den ersten fünf Monaten seit Bestehen der Waffenverbotszone in Teilen des Bahnhofsgebiets, die ein Areal zwischen Hauptbahnhof und Weserstraße sowie Mainzer Landstraße und Gutleutstraße umfasst, zeigte die Polizei bis heute bereits 53 Ordnungswidrigkeiten an. Unter anderem wurden 41 Messer, ein Schlagring, eine Schreckschusspistole sowie fünf Teleskopschlagstöcke bei Personenkontrollen aufgefunden und sichergestellt.“

Die genannten Zahlen und Fakten sollen nicht in Abrede gestellt werden. Was die Sicherheit im Frankfurter Bahnhofsviertel angeht, sind sie aber nicht vollständig und damit leider „geschönt“.

Die Frankfurter Rundschau berichtete am 08.03.2024: Mann stirbt im Bahnhofsviertel in Frankfurt durch Messerstiche… Der Tatort liegt in der Waffenverbotszone, in der Messer zu dieser Tageszeit verboten sind, und gleichzeitig im Sichtbereich der Videoüberwachung, die Anfang des Jahres in der Kaiserstraße, Ecke Moselstraße in Betrieb genommen wurde…“

Es wäre ein Beitrag zur Klarheit und Wahrheit und zur Vollständigkeit der Bewertung der Sicherheit im Frankfurter Bahnhofsviertel gewesen, wenn der Magistrat in seinen Bericht auch diesen schwerwiegenden Vorfall aufgenommen hätte. Das ist leider nicht erfolgt. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens einzelne Stadtverordnete dies in den Ausschussberatungen thematisieren.

Im Übrigen ist festzuhalten:

  • Durch die neu installierten Kameras wurde keine einzige Straftat wie Körperverletzung, Diebstahl, Drogenhandel und Straßenraub verhindert. Verbessert haben sich lediglich die Möglichkeiten der Tataufklärung und die Identifizierung von Tatverdächtigen.
  • Inwieweit einzelne Deliktgruppen, z. B. der Handel mit illegalen Substanzen, sich in Bereiche außerhalb des Blicks der Videoüberwachungsanlagen verlagert haben, ist aus dem Magistratsbericht nicht  herauszulesen.
  • Interessant wäre auch eine Information dazu, bei wie vielen der genannten „228 identifizierten Tatverdächtigen“ ein Tatnachweis auch ohne die Videoüberwachung möglich gewesen wäre.
  • Dass bei Affekthandlungen, dazu zählt ein nicht unerheblicher Teil der Straftaten aus der Deliktgruppe der Angriffe auf Leib und Leben, von den Täter*innen Videoüberwachungskameras im Umfeld der Tat nicht oder kaum beachtet werden, gehört ebenfalls zu einem vollständigen Bild.
  • Auch die Tatsache, dass die Kameraaufnahmen nicht ständig live beobachtet, sondern im Regelfall nur aufgezeichnet werden, gehört zum Gesamtbild.

Insoweit ist auch die vom Magistrat verwendete Begrifflichkeit Videoschutzanlage für die Videoüberwachungskameras unzutreffend. Selbst der früher von der Polizei genutzte Begriff Videobeobachtung gibt den Sachverhalt besser wieder: Kameras beobachten und überwachen ein Geschehen, eingreifen können sie nicht. Da mindestens zeitweise nicht beobachtet, sondern nur aufgezeichnet wird, wäre Videoaufzeichnungsanlage eine treffendere Bezeichung als Videoschutzanlage.

1 Kommentar

  1. Hallo,

    ich stimme Euch zu. Will aber darauf hinweisen, dass aktuell erneut eine Gewalttat im Bahnhofviertel unter den Augen einer Polizeikamera passiert ist.

    In der Rundschau lese ich: „Bei einer Auseinandersetzung im Frankfurter Bahnhofsviertel am Sonntagabend (5. Januar) wurde ein 41-jähriger Mann laut Polizeiberichten schwer verletzt. Der Fall wurde von Videokameras im Bahnhofsviertel aufgezeichnet, was zur schnellen Identifikation des mutmaßlichen Täters führte. Zuvor beobachtete die Polizei mithilfe der Videoschutzanlage, wie eine männliche Person mit aufgeschnittener Jacke und mehreren Schnitt- und Stichverletzungen die Moselstraße entlang lief. Eine daraufhin entsandte Streife traf den 41-Jährigen an und brachte ihn zur weiteren Behandlung ins Krankenhaus.“
    https://www.fr.de/frankfurt/schwerverletzter-nach-messerattacke-im-frankfurter-bahnhofsviertel-zr-93500135.html

    Dieser Vorfall bestätigt Eure These, dass bei Affekthandlungen – das dürfte auch hier der Fall sein – von Tätern Videoüberwachungskameras nicht oder kaum beachtet werden und daher auch keinen Schutz bieten können.

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