Ständige elektronische Erfassung von Gesundheitsdaten – Wunsch- oder Alptraum?

Adinfinitumfr/ Februar 17, 2015/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 0Kommentare

Die elektronische Erfassung von Gesundheitsdaten ist ein beliebtes Thema in der Gesundheitsbranche, die Gesundheitsminister Gröhe mittels seines kommenden eHealth-Gesetzesauf Expansionskurs“ [1] bringen will. Da gibt es Fitnessarmbänder, die den Puls messen, aufwendigere Gerätchen, wie etwa AMI B.O.L.T. von American Megatrends, das sogar „ohne zeitraubende Arztbesuche Blutdruck, Puls, Blutsauerstoffwert und Körpertemperatur“ [2] messen kann und Blutzuckermessgeräte wie das Freestyle Libre [3].

Häufig bieten diese Geräte Funktionen an, die die automatische Verfolgung von Körperfunktionen über beliebige Zeiträume ermöglichen. In der Regel werden hierzu die Daten über ein Smartphone auf Server des Herstellers übertragen. Damit der technikbegeisterte Benutzer motiviert ist, diesen Service zu nutzen, wird ihm über das Internet ein Auswerteprogramm angeboten. Der Deal ist im Grunde der gleiche wie bei vielen „kostenlosen“ Webdiensten: Der Benutzer zahlt für den Dienst mit seinen Daten und kann dafür eine nette App nutzen.

Hersteller wie American Megatrends schwärmen: „häusliche Pflegedienste zeigten sich vor allem an der Möglichkeit interessiert zeigten, mit AMI B.O.L.T. die Vitalfunktionen ihrer Kunden zu überprüfen“ [4]. Sie sind vom „großen Interesse an Gesundheitsmessgeräten mit Cloud-Storage wie AMI B.O.L.T. in der Versicherungsbranche“ begeistert und wie so ein Gerät „dem Anwender die Möglichkeit [gibt], sein Verhalten mittel- und langfristig zu den erzielbaren Werten hin zu optimieren.“

Eine Kontrolle über seine Vitalfunktionen kann für den Menschen möglicherweise tatsächlich von Nutzen sein. Aber ist dies auch noch der Fall, wenn er die Kontolle über diese Daten abgibt und somit verliert? Zurecht kritisiert der Datenschützer Thilo Weichert, dass der Benutzer keine Möglichkeit hat, zu wissen, was auf amerikanischen Servern mit seinen Daten passiert [3]. Thilo Weichert möchte eine Sonderregelung, „die sich an deutschen Datenschutzrichtlinien orientiert – und verhindert, dass sensible Informationen an Dritte, „wie etwa die NSA“, weitergegeben werden könnten.“ Ein schwacher Trost, wenn man weiß, dass Organisationen wie die NSA keinesfalls auf die Weitergabe von Daten angewiesen sind, sondern sich diese überall auf der Welt nach Belieben verschaffen.

Auch der vergünstigte Versicherungstarif dank Weitergabe von Vitaldaten könnte sich letztlich als Phyrrussieg erweisen: In höherem Alter sind die Daten nicht mehr so schön wie bei einem jungen Menschen und der Wechsel in einen Tarif, der nicht von Vitaldaten abhängt, ist nicht mehr möglich und dann vielleicht unbezahlbar teuer. Zudem leidet die Solidargemeinschaft, da solche Tarife das Solidarprinzip ad absurdum führen [5].

Schließlich gibt es auch Lobbyisten wie die Medinzininformatikerin Britta Böckmann, die die Vernetzung solcher Daten mit der eGK anregen [6]. Der Nutzen für den Versicherten ist fragwürdig, aber die Gesundheitsbranche hat hier mit Sicherheit Expansionsfantasien.

Ein Silberstreif am Horizont könnte der kreative Umgang mit solche Datentrackern sein. Mit Sicherheit läßt sich ein solches Meßgerät mit den Daten eines besonders fitten Menschen füttern, wenn die Werte für einen günstigen Versicherungstarif herhalten sollen. Vermutlich hat sich AMI die Optimierung zu erzielbaren Werten hin so nicht vorgestellt und daher ist von einem solchen kreativen Umgang mit diesen Gerätchen dringend abzuraten.

[1] http://www.bmg.bund.de/presse/pressemitteilungen/2014-04/it-gipfel-in-hamburg.html
[2] http://www.egovernment-computing.de/healthcare/telemedizin/articles/464076/
[3] http://www.shz.de/nachrichten/ratgeber/ernaehrung-gesundheit/datenschuetzer-warnt-vor-neuem-diabetes-messgeraet-id8978761.html
[4] http://www.konzept-pr.de/2014-12-08-medica-nachlese.html
[5] https://ddrm.de/?p=3706
[6] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Elektronische-Gesundheitskarte-Mit-Koerpertrackern-vernetzen-2454873.html

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