Siemens-Betriebskrankenkasse fordert Zugriff der Krankenkassen auf Gesundheits- und Behandlungsdaten ihrer Versicherten
In einer Pressemitteilung der Siemens-Betriebskrankenkasse vom 25.01.2017 fordert Dr. Gertrud Demmler, Mitglied des Vorstands der Siemens-BKK, unverhüllt einen Zugriff der Krankenkassen auf Gesundheits- und Behandlungsdaten ihrer Versicherten: „Der aktuelle Datenschutz sieht die Kassen vorrangig als Kostenträger und verbietet das Zusammenführen von Gesundheitsdaten zu Beratungszwecken. Das ist nicht vereinbar mit dem Beratungsauftrag der Kassen und entspricht auch nicht dem, was viele Versicherte von uns erwarten: maßgeschneiderte Beratung und für sie passende Unterstützungsangebote.“ Hier wird missbräuchlich bzw. interessengeleitet der z. B. in § 39b Abs. 1 SGB V bzw. § 44 Abs. 4 SGB V formulierte Beratungsauftrag der Krankenkassen als Vorwand genommen, um datenschutzrechtliche Hürden zu schleifen und Zugriff auf Gesundheits- und Behandlungsdaten zu erhalten.
Dass die Regelung in § 44 Abs. 4 SGB V von vielen Krankenkassen missbraucht wird, um KrankengeldbezieherInnen auszuforschen, wurde schon mehrmals von Datenschutzaufsichtbehörden gerügt.
Die Pressemitteilung der Siemens-BKK ist aber auch noch aus einem weiteren Grund interessant. Auch sie enthält – wie Stellungnahmen der Techniker Krankenkasse und der AOK Nord-Ost – einen Hinweis darauf, dass die Krankenkassen beginnen, der elektronischen Gesundheitskarte und dem damit verbundenen telematischen System den Rücken zuzukehren. Wenn auch nicht so eindeutig wie die beiden genannten Krankenkassen, plädiert die Siemens-BKK ebenfalls für eine kassenbezogene Gesundheitsakte, anstatt bzw. zusätzlich zur elektronischen Patientenakte gem. § 291a Abs. 3 Ziff. 4 SGB V.
Es ist unfassbar, wie mit unseren sensiblen Gesundheitsdaten umgegangen werden soll, siehe auch meinen Bericht:
Unter dem Titel „E-Health-Strategie für Deutschland“ formulieren formulieren Politiker der Union unter Führung der Bundestagsabgeordneten Katja Leikert und Maik Beermann auf zehn Seiten zwölf Leitgedanken für ein digitalisiertes Gesundheitswesen. So solle die Digitalisierung Patienten und Ärzten helfen, Informationen schneller zu gewinnen, auszutauschen, auszuwerten und für den späteren Gebrauch zu speichern, heißt es in dem Papier, das dem änd vorliegt.
„Hohe Anforderungen an die Evidenz“ stellten oftmals hohe Hürden dar, um Innovationen allen zugänglich zu machen. Gerade das Beispiel Telemedizin zeige, dass es etablierte Verfahren – wie das Telemonitoring – bisher nicht in die Regelversorgung geschafft hätten.
So solle die elektronische Patientenakte „den Weg zum selbstbestimmten Patienten ebnen“. Und die Telemedizin solle zur schnelleren und leichteren Kontaktaufnahme zwischen Arzt und Patient führen. Dafür brauche es klare Vergütungkritierien.
Allerdings reiche es nicht aus, lediglich die Ärzte zu honorieren, so die CDU-Politiker in ihrem Papier. Damit Ärzte und Patienten die technischen Innovationen überhaupt nutzen können, die überwiegend von Start-ups entwickelt würden, müssten man genau diese Jungunternehmen fördern. Die bessere Kommunikation zwischen Kassen, Wirtschaft und Wissenschaft gehöre ebenso dazu wie „klare Vergütungskritierien“. Dies gelte vor allem für die Finanzierung von Beteiligungen. Wörtlich heißt es dazu in dem Papier: „Dazu wollen wir Krankenkassen die Möglichkeit eröffnen, im Rahmen ihrer Kombinationsstrategien in neue Unternehmen und Technologien zu investieren.“
All dies dürfe allerdings nur unter „Beachtung strenger Regeln“ geschehen. Denn schließlich stammten die Kassengelder aus Beiträgen der Versicherten, die der Versorgung dienen und nicht zur Spekulation. Die Barmer kündigte im vergangenen Jahr an, als erste Krankenkasse in Deutschland Beitragsgelder in Start-ups zu investieren. Insgesamt 15 Millionen Euro sollen dazu in einen Fonds fließen. Ziel sei es, mit dieser Kooperation den medizinischen Fortschritt voranzutreiben und neue Versorgungsformen zu ermöglichen, von denen die Patienten profitieren, hofft die Kasse.
Wenn es nach der CDU geht, soll es solche Kooperation von Krankenkassen und Wirtschaft künftig viel öfter geben. Deshalb raten die Unionspolitiker der Bundesregierung in ihrem Papier zu einer teilweisen Öffnung des streng reglementierten Kassenrechts. So sollten „zur Unterstützung von Erprobungsräumen und Modellregionen“ mögliche Öffnung- und Experimentierklauseln systematisch überprüft werden. „Wir sind davon überzeugt, dass wir so die Voraussetzungen dafür schaffen, die großen wirtschaftlichen Chancen für Beschäftigung und Wachstum, die im Gesundheitssektor liegen, noch besser nutzen zu können“, heißt es in dem Papier.
Zudem sprechen sich die Unionspolitiker dafür aus, telemedizinische Angebote in die Fläche zu bringen. „Vernetzte digitale medizinische Versorgung macht es möglich, dass sich nicht die Patienten auf den Weg machen müssen, sondern dass sich die Daten für die Patienten auf den Weg machen.“ Dies komme vor allem älteren und chronisch kranken Menschen zugute. „Deswegen brauchen wir ein breites telemedizinisches Angebot.“
Auch in der Nutzung von Gesundheitsdaten sehen die CDU-Politiker offenbar noch jede Menge Potenzial. Die Auswertung großer Mengen von Routinedaten – Stichwort Big Data – könnte die Versorgungsforschung und damit die Heilungschancen einzelner Patienten verbessern. Zwar müssten sensible Patientendaten geschützt werden. Andererseits aber mehr Daten für die Forschung gewonnen werden. Darum wolle man in der kommenden Wahlperiode schnell die „erforderlichen Voraussetzungen schaffen“.
Wir können nur alle abwählen!!
Frau Dr. Gertrud Demmler und alle anderen – vor allem die privat versicherten Politiker – dies Obere postulierend mögen doch bitte mal mit gutem Beispiel vorangehen und ihre persönlichen Gesundheitsdaten öffentlich ins Netz stellen …
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