Rechtswidrig! Jobcenter Frankfurt Ost verlangt Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge

Sozial-Datenschutz/ Juli 26, 2019/ alle Beiträge, Jobcenter Frankfurt, Sozialdatenschutz/ 10Kommentare

Bei der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main gingen in den letzten Tagen Anfragen von Menschen ein, die Weiterbewilligungsanträge auf Leistungen nach SGB II („Hartz IV“) stellen wollten und dabei mit Aushängen in den Jobcentern Frankfurt Nord und Frankfurt Ost konfrontiert wurden.

Jobcenter Frankfurt Nord:

Jobcenter Frankfurt Ost:

(Beide Aushänge wurden innerhalb der beiden letzten Wochen vor Veröffentlichung von Betroffenen fotografiert und der Redaktion zur Verfügung gestellt)

Insbesondere die Aufforderung des Jobcenters Frankfurt Ost, ungeschwärzte Kontoauszüge vorzulegen, erscheint vor dem Hintergrund einer Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten rechtlich mehr als zweifelhaft. In dieser Stellungnahme ist im Abschnitt „Wie muss ich Kontoauszüge vorlegen und was passiert damit?“ eindeutig formuliert: Einnahmen dürfen auf den Kontoauszügen nicht geschwärzt werden. Denn Geldeingänge muss das Jobcenter daraufhin prüfen, ob diese als Einkommen (§ 11 II) den Leistungsanspruch mindern. Bei Ausgabebuchungen dürfen das Buchungs- und Wertstellungsdatum oder der Betrag ebenfalls nicht geschwärzt werden. Nur bestimmte Passagen des Empfängers und des Buchungstextes dürfen geschwärzt werden, wenn der zu Grunde liegende Geschäftsvorgang für die Prüfung durch das Jobcenter plausibel bleibt. Geschwärzt werden dürfen die in den Auszügen enthaltenen besonderen Arten personenbezogener Daten, wie beispielsweise Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben (Artikel 9 Absatz 1 Datenschutzgrundverordnung). Nach der Schwärzung müssen Texte wie Mitgliedsbeitrag, Zuwendung oder Spende als grundsätzlicher Geschäftsvorgang erkennbar bleiben.“ Und im Abschnitt Darf das Jobcenter meine Kontoauszüge zur Akte nehmen?“ wird u. a. festgestellt: „In der Regel sollte es ausreichen, auf den Antragsformularen zu vermerken, dass die Kontoauszüge vorgelegen haben und mit den im Antrag angegebenen Daten zu Ihrer finanziellen Situation übereinstimmen. Diese Prüfung kann eventuell schon im Termin erfolgen, meistens aber erst zu einem späteren Zeitpunkt… Bis zur Entscheidung über den Leistungsantrag können die Kontoauszüge erforderlich und ihre Speicherung deshalb datenschutzrechtlich zulässig sein. Eine Leistung ist dann festgestellt, wenn die Leistungsgewährung nach dem Vier-Augen-Prinzip überprüft und die Auszahlungsanordnung erteilt wurde. Ab diesem Zeitpunkt halte ich die Aufbewahrung der Kontendaten generell nicht mehr für erforderlich. Die angeforderten Kontoauszüge sind ab diesem Zeitpunkt an den Antragsteller zurückzugeben (Originale) oder zu vernichten…“

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist die zuständige Aufsichtsbehörde für die Jobcenter in gemeinsamer Trägerschaft von Bundesagentur für Arbeit und den jeweiligen kommunalen Trägern. Zu diesen zählt auch das Jobcenter Frankfurt.

Warum das Jobcenter Frankfurt Ost eine von der Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten abweichende Praxis verfolgt? Ggf. kann eine Anfrage auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes hier weitere Erkenntnisse erbringen.


In einem gemeinsamen Hinweis der Landesbeauftragten für den Datenschutz der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, die jeweils für die kommunalen Jobcenter in ihren Bundesländern zuständig sind, wird zur Vorlage von Kontoauszügen festgestellt: Das Schwärzen von einzelnen Buchungen kann den Hilfesuchenden nicht von vornherein verwehrt werden Die Betroffenen müssen auf die Möglichkeit des Schwärzens einzelner Buchungen bereits bei der Anforderung der Kontoauszüge hingewiesen werden. Insbesondere bei Soll-Buchungen über geringere Beträge (regelmäßig bis 50 Euro) kann der Hilfesuchende die zu den Einzelbuchungen aufgeführten Texte in der Regel schwärzen. Der Betrag  selbst muss sichtbar bleiben… Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass jeweils die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten sind. So können z.B. regelmäßige Zahlungen von Beiträgen für Kapital bildende Lebensversicherungen, Ausbildungsversicherungen oder Bausparverträge durchaus leistungsrelevant sein. Insoweit wäre eine Schwärzung auch bei geringeren Beträgen nicht zulässig… Ein möglicher Lösungsansatz für strittige Einzelfälle könnte z.B. sein, dass dem Betroffenen eine Teilschwärzung der Buchungstexte ermöglicht wird. Beispielsweise könnte der Name der Organisation oder die Versicherungsnummer geschwärzt werden. Inwieweit das Schwärzen von Texten bei einzelnen Soll-Buchungen über größere Beträge (über 50 Euro) zur Wahrung schutzwürdiger Belange von Antragstellern zulässig ist, hängt von der Gestaltung des Einzelfalls ab. Schwärzungen können unabhängig vom Betrag grundsätzlich dann vorgenommen werden, wenn die Buchungstexte Angaben über besonders geschützte Daten… enthalten. Dazu zählen Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben…“ Und zur Speicherung von Kontoauszügen wird festgestellt: „Kontoauszüge dürfen vom Leistungsträger eingesehen werden, d.h. die Daten dürfen erhoben werden. Allerdings stellt die Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen gemäß § 60 SGB I keine Befugnis zur Speicherung dieser Daten dar. Gemäß § 67 c Abs. 1 Satz 1 SGB X ist das Speichern, Verändern oder Nutzen von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen zulässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden gesetzlichen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist und es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Da die Kontoauszüge eines Zeitraums von ein bis drei Monaten eine Vielzahl von Kontobewegungen enthalten, die für die Feststellung des Bedarfs des Hilfebedürftigen nicht relevant sind, ist eine Speicherung dieser Daten regelmäßig unzulässig. Vielmehr dürfen diese nur dann gespeichert werden, wenn die Daten zur Aufgabenerfüllung im Einzelfall erforderlich sind. Im Regelfall genügt ein Vermerk in der Akte, aus welchem Zeitraum Kontoauszüge eingesehen wurden und dass keine für den Leistungsanspruch relevanten Daten ermittelt wurden. Werden derartige Daten ermittelt, so genügt es, diese in der Akte zu vermerken. Soweit im Einzelfall die Speicherung einer Kopie eines Kontoauszuges für weitere Maßnahmen unerlässlich ist, sind alle nicht erforderlichen Daten zu schwärzen.“

10 Kommentare

  1. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in zwei Verfahren (B 14 AS 45/07 R vom 19.09.2008 und B 4 AS 10/08 R vom 19.02.2009) entschieden, dass die Forderung der Jobcenter von Kontoauszügen der letzten 3 Monate bei Erst- und Weiterbewilligungsanträgen zulässig ist; ebenso die tw. Schwärzung der Auszüge.
    Hier die Links zu den beiden Urteilen:
    B 14 AS 45/07 R aus 2008: https://openjur.de/u/170282.html
    B 4 AS 10/08 R aus 2009: https://openjur.de/u/170372.html

  2. Auch für meinen Weiterbewiilungsantrag Jobcenter Frankfurt West wurde unter Androhung vollständiger Leistungssperrung die Kontoauszüge für die letzten 6 Monate ungeschwärzt angefordert. Frist 14 Tage.
    Eigentlich unmöglich diese von der Bank in dieser Frist zu erhalten. Widerspreche.

  3. Ich habe die Kontoauszüge für 6 Monate vorgelegt damit der Antrag bearbeitet werden kann. Ansonsten kann ich meine laufenden Kosten -Miete etc. – nicht begleichen. Im Gegenzug werde ich nach Antragsbewilligung mit einer Feststellungsklage gegen die Aufforderung des Jobcenters vorgehen.

  4. Bitte halten Sie uns weiter auf dem Laufenden!

  5. An Tacheles: Gerne !-Im Jobcenter-FrankfurtMain Telefonat erfuhr ich, das die Kontoauszüge eingescannt werden und durch ein spezielles Programm laufen.

  6. Keine Überrraschung:: Nach Vorlage der Kontoauszüge wurden 5 Buchungen vom Jobcenter moniert+u. a.. Bareinzahlung von Euro 15,- die als Einkommen halluziniert wurden+Antragsbearbeitung bis zur ‚Klärung‘ verweigert wurde. Habe eine Frsit setzen müssen+und werde dann Antrag auf einstweilige Anordnung stellen müssen. Einstweilen kann ich meine Miete nicht bezahlen.

  7. Heftig… und die anderen 4 Buchungen?
    Es besteht ja die Möglichkeit anderer Konten etc.
    Wegen 15€ Einzahlung lassen sich doch (noch) andere Wege finden.
    Sind Sie beim FALZ?

  8. Nein, habe aber früher bei Tacheles Fachhochschule mich beraten lassen. Da ging es um eine ‚Maßnahme‘-den SG Prozess hatte ich in der Folge gewonnen+die Sanktion wurde zurückgenommen. Das FALZ ist ein von der Stadt gesponserte Beratung – da war ich einmal + es war wenig hilfreich.

  9. Das Sozialgericht Frankfurt hat in meinen Verfahren vorab erklärt, das generell die Anforderung für 6 Monate Kontoauszüge zu vorzulegen rechtlich nicht zu beanstanden ist

  10. Die juristische Begründung ist, dass das Jobcenter prüfen muss, ob Sie hilfebedürftig sind, so steht es in § 7 SGB II und § 9 SGB II. Zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit muss das Jobcenter relevantes Einkommen und Vermögen berücksichtigen und um das tun zu können, darf es verlangen, es Ihre Kontoauszüge zu sehen.

    „OK“, ABER RELEVANTES zu erkennen, ginge doch ganz klar auch ohne an der Stange zu strippen!
    Dazu würde eigentlich im REGELFALL ein übersichtlicher „Saldenverlauf“ als Diagramm total ausreichen!

    Mag das mal jemand „Klarstelen & Einklagen“ ?

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