Polizei, CDU und SPD fordern Ausbau der Videoüberwachung im Allerheiligenviertel in Frankfurt – aber Zahlen zu Kriminalitätsentwicklung werden nicht genannt
Anfang Juni 2018 wurde im Rotlichtviertel an der Ecke Breite Gasse / Allerheiligenstraße eine neue Videoüberwachungskamera installiert. Ein Erfolg für die Frankfurter CDU, die seit Februar 2016 ihre Koalitionspartner im Römer (anfangs die Grünen, nach der letzten Kommunalwahl SPD und Grüne) unter Druck setzte und zur Zustimmung zum Ausbau der Videoüberwachung in der Frankfurter Innenstadt gewinnen konnte.
Still und heimlich haben sich jetzt die Frankfurter Polizei und die Fraktionen von CDU und SPD in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung geeinigt,
die bisherige mobile Videoüberwachungsanlage
durch eine stationäre Anlage zu ersetzen. Das ist einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 30.09.2019 zu entnehmen. Zusammengefasst ist in der FAZ zu lesen:
- In einem „turnusmäßigen Routinebericht“ der Polizei – der weder allen Stadtverordneten noch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich ist – sei die Forderung erhoben worden, dass statt der von der hessischen Polizei finanzierten mobilen Videoüberwachungsanlage eine von der Stadt Frankfurt zu finanzierende stationäre Videoüberwachung im Allerheiligenviertel errichtet werden soll.
- Zahlen über die Veränderung der Kriminalitätsbelastung seit Installation der Kamera habe die Polizei nicht genannt. Nach Informationen der FAZ sei die Zahl der erfassten Delikte aber in etwa gleich geblieben.
Ursula Busch, die Fraktionsvorsitzende der SPD in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, wird von der FAZ mit der Aussage zitiert: „Offenbar braucht die Stadt die Anlage an diesem Standort. Deshalb unterstützen wir das Anliegen der Polizei gern“. Und der sicherheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christoph Schmitt, versteigt sich gegenüber der FAZ zur Aussage: „Allein die Tatsache, dass das Sicherheitsgefühl der Bürger gestiegen ist, macht eine dauerhafte Kameraüberwachung dort unverzichtbar“.
Festzuhalten ist: Nicht alle Bewohner des Allerheiligenviertels und nicht alle Parlamentarier stimmen diesen Positionen zu.
- Andreas Laeuen (Fraktionsvorsitzender der Grünen im Ortsbeirat 1 und Bewohner des Allerheiligenviertels) erklärte im November 2018 in einem Leserkommentar auf der Homepage der FNP: “Na ja man sollte schon mal genau hinschauen und überlegen, ob man die Dealer in den Hinterhöfen und Hauseingängen lieber hat, als auf der Straße unter einer gewissen sozialen Kontrolle. Die Bewohner der Klingerstraße, der Albusstraße und die mit den offenen Hinterhöfen sprechen eine andere Sprache. Die Berichterstattung ist etwas einseitig, denn ich kenne eine Reihe an Bewohnerinnen und Bewohner, die wegen der Verdrängung in diese Bereiche gegen die Kameras sind… Ich… kann als betroffener Anwohner in der Klingerstraße das Dilemma täglich beobachten. Es gab auch wieder einige Wegzüge, das Viertel verkommt mehr und mehr…”
- Der für das Allerheiligenviertel zuständige Ortsbeirat 1 stellte bereits im September 2018 in einer Anregung an Stadtverordnete und Magistrat unter dem Titel “In der Allerheiligenstraße ist es zu dunkel” fest: „Seitdem die Kamera im Bereich der Breite Gasse installiert wurde, betrachten die Anwohnerinnen und Anwohner diesen Bereich als Angstzone, da sich die Dealerszene (auch) dorthin verlagert hat…” Der Ortsbeirat forderte deshalb den Magistrat auf, „im östlichen Abschnitt der Allerheiligenstraße die Beleuchtung zu verbessern.”
- Und Jessica Purkhardt, Fraktionsvorsitzende und sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen Stadtverordnetenfraktion, erklärte vor wenigen Tagen gegenüber der FAZ: Der Routinebericht der Polizei habe „nicht schlüssig darlegen (können), warum eine fest installierte Kameraanlage mehr bringen soll als eine mobile“. Bisher habe die Videoüberwachung die Situation im Allerheiligenviertel kaum verbessert. „Was wir beobachten, ist lediglich eine Verdrängung.“
Der von der Polizei geforderte und von CDU und SPD unterstützte Ausbau der Videoüberwachung hat noch einen weiteren Aspekt: Der interessierten Öffentlichkeit ist es nicht möglich, von der hessischen Polizei oder dem Magistrat der Stadt Frankfurt die Einsicht in den Evaluationsbericht der Polizei zur Videoüberwachung im Allerheiligenviertel zu verlangen. Das am 25.05.2018 in Kraft getretene Hessische Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (HDSIG) lässt dies nicht zu. Es ist das mit Abstand schlechteste Informationsfreiheitsgesetz in Deutschland.Einer der zentralen Mängel des HDSIG: Gemeinden, Städte und Landkreise, aber auch Polizei, Verfassungsschutz sind nach den Bestimmungen des § 81 HDSIG aus dem Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Gemeinden, Städte und Landkreise sind zwar ermächtigt, eigene Informationsfreiheitssatzungen zu erlassen. Der Magistrat der Stadt Frankfurt hat aber auch nach mehr als einem Jahr weder auf eine Anregung der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main noch eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung reagiert. Frankfurt hat nach wie vor keine Informationsfreiheitssatzung.