Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Langzeitüberwachung von Rolf Gössner durch den Verfassungsschutz war und ist rechtswidrig

Datenschutzrheinmain/ März 15, 2018/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD)/ 0Kommentare

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat mit Urteil vom 13.03.2018 (Aktenzeichen: 16 A 906/11) entschieden, dass die langjährige Beobachtung des Bremer Rechtsanwalts und Publizisten Dr. Rolf Gössner durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtswidrig war. Es hat damit eine Entscheidung des Verwal­tungsgerichts Köln bestätigt.

Dr. Gössner war zwischen 1970 und 2008 durch das Bundesamt für Verfassungs­schutz (BfV) in Form der Sammlung und Auswertung von Informationen in einer Perso­nenakte beobachtet worden. Das BfV hatte dies da­mit begründet, dass während des gesamten Beobachtungszeitraums tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen des Klägers bzw. die Unter­stützung solcher Bestrebungen vorgelegen hätten. Diese hätten sich aus dessen Tä­tigkeit für den Sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB, später: Sozia­listischer Hochschulbund) Anfang der 1970er Jahre, seine Redaktionsmitgliedschaft in der ge­heimdienst- und polizeikritischen Zeitschrift „Geheim“ von 1986 bis 1999 und deren spätere publizistische Unterstützung, sowie der Unterstützung der DKP und weiterer DKP-naher Organisationen, insbesondere durch journalistisches Eintreten für deren (Teil-)Ziele und die Tätigkeit als Referent auf entsprechenden Veranstaltungen erge­ben.

Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beobach­tung gerichteten Klage hatte das Verwaltungsgericht Köln stattgegeben. Die Berufung des BfV hat das Oberverwaltungsgericht nun zurückge­wiesen. Zur Begründung hat der 16. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme komme es darauf an, ob die dem Bundesamt für Verfassungsschutz im jeweiligen Zeitpunkt bekannten Tatsachen konkrete Anhalts­punkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen geboten hätten. Dies sei in Bezug auf den Kläger nicht der Fall. Soweit die Beobachtung darauf gestützt worden war, dass der Kläger dem SHB sowie der Redaktion der Zeitschrift „Geheim“ angehört bzw. diese Personenzusammenschlüsse unterstützt habe, fehle es bereits an tatsächli­chen Anhaltspunkten dafür, dass von diesen Organisationen im entscheidungsrele­vanten Zeitraum verfassungsfeindliche Bestrebungen ausgegangen seien. Soweit die Beobachtung mit der Unterstützung der DKP bzw. DKP-naher Vereinigungen be­gründet worden war, so fehle es an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger die Orga­nisationen als solche bzw. deren verfassungsfeindlichen Ziele nachdrücklich unter­stützt habe. Darüber hinaus sei die Beobachtung angesichts der mit ihr einherge­henden Grundrechtseingriffe auch unverhältnismäßig gewesen.

Quelle: Pressemitteilung des Oberverwaltungsgericht NRW vom 13.03.2018

Die Zeitung Neues Deutschland informiert am 14.03.2018 über eine persönliche Erklärung von Dr. Gössner, die dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht NRW abgegeben hat: „…darauf hingewiesen, dass er sich bei der Lektüre der Berufungsbegründung des BfV ‚an inquisitorische Verfahren, an finstere Zeiten der McCarthy-Ära, an den Kalten Krieg oder den Deutschen Herbst erinnert‘ fühle. Den Richtern des Verwaltungsgerichts Köln wurde unter anderem vorgeworfen, in ihrem für Gössner positiven Urteil aus dem Jahr 2011 durchgängig bemüht gewesen zu sein, ‚die Äußerungen des Klägers in einem diesem günstigen Sinne zu interpretieren, und, wo das nicht möglich ist, zu verharmlosen'“.

Dr. Gössner war 2016 Laudator für den BigBrotherAward in der Kategorie Lifetime, also für das Lebenswerk, der damals an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), vertreten durch dessen Präsidenten Dr. Hans-Georg Maaßen, sowie an „Verfassungsschutzbehörden“ einzelner Bundesländer verliehen wurde. Dr. Gössner stellte in seiner Rede damals u. a. fest:

„Der ‚Verfassungsschutz‘ ist

  • ein im Kalten Krieg geprägter, antikommunistischer, skandalgeneigter und intrans­parenter Inlandsgeheimdienst,
  • der seine eigenen altnazistischen Anfänge, die ihn so nachhaltig prägten, allzu lange verdrängt hat,
  • der – vielleicht auch gerade deshalb? – im Kampf gegen Neo-Nazismus und Rassismus weitgehend versagt,
  • der sich mit seinem unkontrollierbaren V-Leute-System heillos in kriminelle Machen­schaften und Neonazi-Szenen verstrickt,
  • der es seit Jahren sträflich unterlässt, Bevölkerung, Firmen und Bundesregierung vor Spionage-Attacken etwa des US-Geheimdienstes NSA zu schützen, obwohl er gesetzlich dazu verpflichtet ist,
  • der ein skrupelloses Vertuschungssystem betreibt, wichtige Beweismittel und brisante Akten geschreddert hat, und so jede parlamentarische Kontrolle torpediert,
  • der insgesamt eine ellenlange Skandalgeschichte aufzuweisen hat und immer wieder Bürger-, Persönlichkeits- und Datenschutzrechte verletzt,
  • und der damit letztlich Verfassung, Demokratie und Rechtsstaat gefährdet und schädigt, anstatt sie auftragsgemäß zu schützen.“

Dem ist (fast) nichts hinzu zu fügen.

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