Nach Bundesinnenminister Seehofer will auch Bundesarbeitsminister Heil die Steuer-ID für nicht-steuerliche Zwecke nutzen

Datenschutzrheinmain/ Oktober 4, 2020/ alle Beiträge, Sozialdatenschutz/ 0 comments

Bundesinnenminister Seehofer (CSU) plant die Umwandlung der Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) in eine allgemeine Bürger-Identifikationsnummer, die dazu dienen soll, Menschen über alle diversen staatlichen Register hinweg zu identifizieren und ggf. zu verknüpfen. Die Menschen in Deutschland wären dann „gläserne Bürger*innen“.

Nun möchte Bundesarbeitsminister Heil (SPD) die Steuer-ID für weitere Zwecke nutzen – für eine digital erstellte und einsehbare individuelle Rentenübersicht. Mit einem dafür zu schaffenden Online-Portal sollen die Bewohner*innen dieses Landes ab 2023 eine Übersicht über ihre je individuellen Ansprüche aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Alterssicherung erhalöten. Dies aber nur, wenn sie bereit sind, dafür ihre lebenslang unveränderte Stuer-ID zu nutzen.

Der Gesetzentwurf zur digitalen Rentenübersicht aus dem Hause Heil sieht vor, bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eine „Zentrale Stelle für die digitale Rentenübersicht“ zu schaffen. Bei einer Anfrage bei dieser Zentralstelle soll der Bürger seine Steuer-ID angeben, danach werden seine Daten bei den Vorsorgeeinrichtungen abgerufen und ihm gebündelt in einer Übersicht gezeigt. Die Nutzung dieses Service soll „freiwillig“ sein – aber:

Die Steuer-ID soll bei der Erfassung aller Datensätze, die von den gesetzlichen, betrieblichen und privaten Versicherungen gemeldet werden, zwingend mit erfasst werden.

Deshalb sollen Vorsorgeeinrichtungen, die im Rahmen des Rentenbezugsmitteilungsverfahrens bereits technisch an das Bundeszentralamt für Steuern angebunden sind, in Bezug auf den bereits bestehenden Kundenbestand die Steuer-ID ohne Einwilligung ihrer jeweiligen Versicherten erheben und auf das ursprünglich ausschließlich für Steuerzwecke eingerichtete maschinelle Verfahren des Bundeszentralamtes für Steuern zurückzugreifen. Dazu soll die bisher für steuerliche Zwecke geltende Befugnis, die Steuer-ID erst bei Eintritt des Leistungsfalls (Zahlungsbeginn einer Rente), also zum Zeitpunkt der Rentenauszahlung erheben zu dürfen, in die Zeit der Beitragszahlung vorverlegt.

Zwei Auszüge aus dem Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Entwicklung und Einführung einer Digitalen Rentenübersicht (Rentenübersichtsgesetz – RentÜG):

§ 4 Grundsätze der Digitalen Rentenübersicht

(1) Bürgerinnen und Bürger können die Digitale Rentenübersicht über das Portal der Zentralen Stelle für die Digitale Rentenübersicht abfragen…“

§ 11 Verarbeitung der Identifikationsnummer

Die angebundenen öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen sind berechtigt, die Identifikationsnummern bei ihren Kundinnen und Kunden zu erheben…“

Ebenso wie Bundesinnenminister Seeehofer will sich offensichtlich auch Bundesarbeitsminister Heil über die vielfältig geäußerten Bedenken zur zweckfremden Nutzung der Steuer-ID hinwegsetzen. So haben z. B.

vor erheblichen verfassungsrechtlichen Problemen bei der Nutzung der Steuer-ID für andere Zwecke gewarnt.

Das Bundesverfassungsgericht hat zum Thema zentrale Personen-Identifikationsnummer in seiner Entscheidung vom 16.07.1969 festgestellt: „In der Wertordnung des Grundgesetzes ist die Menschenwürde der oberste Wert… Damit gewährt das Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist… Es widerspricht der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staat zu machen… Ein solches Eindringen in den Persönlichkeitsbereich durch eine umfassende Einsichtnahme in die persönlichen Verhältnisse seiner Bürger ist dem Staat auch deshalb versagt, weil dem Einzelnen um der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein ‚Innenraum‘ verbleiben muß, in ndem er ‚sich selbst besitzt‘ und ‚in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt‘…In diesen Bereich kann der Staat unter Umständen bereits durch eine – wenn auch bewertungsneutrale – Einsichtnahme eingreifen, die die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme zu hemmen vermag…“

Dem ist nichts hinzu zu fügen!

Die Gesetzentwürfe der Minister Seehofer und Heil müssen zurückgewiesen werden.

 

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