“Meine Praxis bleibt bis auf weiteres TI-frei“

Gesunde_daten/ Januar 28, 2020/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 0Kommentare

Unter dieser Überschrift begründet Dr. med. Ewald Proll, Arzt für Psychiatrie / Psychotherapie aus Wuppertal auf seiner Homepage polemisch, gründlich und gut, warum er sich weigert, seine Praxis an die Telematik-Infrastruktur der gematik anzuschließen. Einige Auszüge:

„TI heißt ‚Telematik-Infrastruktur‘. Auf der Homepage der gematik steht: … ‚Die Telematikinfrastruktur vernetzt alle Akteure und Institutionen des Gesundheitswesens miteinander und ermöglicht dadurch einen organisationsübergreifenden Datenaustausch innerhalb des Gesundheitswesens.‘ Klingt verlockend. Vorläufig schließe ích meine Praxis trotzdem nicht an dieses System an – auch wenn wenn ich damit gegen das Gesetz verstoße. Dafür werde ich nach §291 SGB 5 Abs. 2b mit Honorarabzug bestraft: ich kann nämlich ohne Anschluss keinen Versichertenstammdatenabgleich machen.

Warum werde ich zum Gesetzesbrecher?

Ich arbeite seit 1995 digital. Ich nutze ein zertifiziertes Praxisverwaltungssystem mit elektronischer Karteikarte, in der alle Befunde, der Verlauf, alle Medikamente, Diagnosen, Daten von Krankenhausaufenthalten und Arbeitsunfähigkeitszeiten, eingescannte Fremdberichte, eigene Berichte an Kranke Kassen, Medizinischen Dienst, Arbeitsagentur, Jobcenter, Rentenversicherung, Versorgungsverwaltung gesammelt werden. Das nennt man eine arztgeführte Patientenakte. Auf die habe nur ich Zugriff. Sie ist passwortgeschützt und liegt auf einem verschlüsselten Datenträger. Diese Akte gehört mir, aber wenn Sie bei mir in Behandlung sind, können Sie eine Kopie Ihres Datensatzes bekommen (es steht nichts drin, was Sie nicht ohnehin schon wissen). Ich komme damit meiner ärztlichen Dokumentationspflicht nach…

Was meinen Bedarf angeht: was bietet mir denn die TI zurzeit konkret? Brauche ich die TI oder braucht die TI mich?

Ich kann einen Versichertenstammdatenabgleich machen… Die verwegene Idee einiger Verwaltungsbürokraten, Verwaltungsaufgaben an Ärzte auszulagern, ist einfach genial. Sie deckt sich nur nicht mit meinem Bedarf und ich bin dazu unterqualifiziert. Ich bin nur Arzt. Wenn ich Stammdaten abgleichen wollte, wäre ich SoFa geworden… War sonst noch was? Das elektronische Rezept, vielleicht. Soll irgendwann mal kommen… Die elektronische AU, vielleicht. Nee, soll ja eine Erleichterung für Arbeitgeber und Kranke Kassen werden, nicht für mich. Ich muss das zusätzlich machen. Klingt auch nicht nach einem attraktiven Angebot für mich. Die elektronische Patientenakte? Ist für Sie als Patient (noch) freiwillig und Sie entscheiden, was drin steht und wer es haben darf. Ist für mich damit eine entweder unvollständige oder eine unüberschaubare Datenmenge oder beides. Muss ich mir mal ansehen, wenn es fertig ist. Als Beta-Tester von Bananensoftware sehe ich mich nicht. Datenlieferungen an Kranke Kassen und andere Interessierte nach §287 SGB 5 (pseudonymisiert, versteht sich)? Gut für Forschungs- und Marketingzwecke, sicher im Interesse der Allgemeinheit, aber weder für mich im Alltag relevant noch neu: diese Daten zirkulieren längst (§ 295 SGB 5). Künftig womöglich in Echtzeit…

Vor allem, wenn man die möglichen Konsequenzen bedenkt: ‚Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde bisher keine Datenschutzfolgenabschätzung für die Telematikinfrastruktur durchgeführt.‘ Keine Datenschutzfolgenabschätzung? Kein Konnektor in meiner Praxis (siehe DSGVO Artikel 26, 82 und 83), zumal die Ausgabe von Versichertenkarten, Arztkarten und Konnektoren sagen wir mal störanfällig ist. Darum bleibt meine Praxis vorläufig TI-frei.

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