„Mein ärztliches Gewissen und die Arztgeheimnis-Cloud“

Gesunde_daten/ April 7, 2019/ alle Beiträge, Gesundheitsdatenschutz, Telematik-Infrastruktur/ 0Kommentare

Unter diesem Titel hat Wilfried Deiß, Facharzt für Innere Medizin und Hausarzt in Siegen, seit vielen Jahren engagiert in der Auseinandersetzung um die Digitalisierung im Gesundheitswesen, einen neuen Beitrag veröffentlicht.

Was viele Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen in diesen Tagen bewegt, hat er unter der Fragestellung Digitalisierung im Gesundheitswesen – eHealth-Gesetz befolgen oder verweigern? überprüft. Lesenswert! – nicht nur für seine Fachkolleg*innen; auch für Versicherte und Patient*innen.

Eingangs definiert Herr Deiß die Telematik-Infrastruktur als Arztgeheimnis-Cloud: „Die Elektronische Gesundheitskarte ist der Zugangs-Schlüssel zur sogenannten Telematik-Infrastruktur. Der Kern dieses Projektes ist eine Cloud für Gesundheitsdaten. Dort sollen in Zukunft alle Arztberichte möglichst aller Bürger dauerhaft gespeichert werden. Diese Cloud ist anders als jede andere Cloud. Denn dort werden keine Fotos oder Bilder oder Filme oder Nachrichten oder Wissenschaftliche Daten gespeichert, sondern etwas qualitativ ganz Anderes. Dort werden die intimsten Informationen über Menschen gespeichert, die aus gutem Grunde historisch dem strengen Schutz des Arztgeheimnisses unterliegen. Die Telematik-Cloud ist also die Arztgeheimnis-Cloud.“

Thema seiner Stellungnahme sind die Fragen: Welche Ärztlichen Konflikte entstehen, wenn es um die folgenden Fragen geht:

  • Praxis an Telematik-Infrastruktur anschließen?
  • Patientendaten/ Krankenakten in die Zentrale Telematik-Infrastruktur/ Arztgeheimnis-Cloud „hochladen“?
  • Ganze Krankenakten dauerhaft in der Cloud speichern?

Am Ende seines Beitrags stellt zwei Fragen und beantwortet sie aus seiner Sicht:

Wie würde die Arztgeheimnis-Cloud im Rückblick beurteilt werden, wenn in 5 oder 10 oder 15 Jahren die Krankengeschichten der Bevölkerung gehackt werden?

Man würde retrospektiv berechtigte Fragen stellen. Hätten denn die medizinischen Ziele der Cloud-Speicherung, nämlich die bessere Bereitstellung von Patienteninformationen, nicht OHNE zentrale dauerhafte Speicherung erreicht werden können? Meine Antwort ist ja. Denn im medizinischen Alltag ist die jederzeitige Verfügbarkeit ALLER Patientendaten kaum relevant. Was aber im medizinischen Alltag tatsächlich STÄNDIG benötigt wird, ist eine jederzeit aktuelle Liste von Dauerdiagnosen mit Unverträglichkeiten und Allergien sowie ein jederzeit aktueller Medikationsplan. Diese Informationen lassen sich wunderbar dezentral zur Verfügung stellen, die Details dazu sind ein eigenes Thema, das wir in unserer Praxis seit Jahren praktizieren, zur großen Freude von Fachärzten und Krankenhäusern. Wird es den Algorithmen einer Arztgeheimnis-Cloud jemals gelingen, auf einen Blick und mit einem Click ein aktuelles Medikations-Diagnosen-Dokument bereit zu stellen? Insgesamt ist es sehr wahrscheinlich, dass sowohl aktuell als auch retrospektiv sich der potentielle Schaden durch die Cloud-Speicherung sehr viel größer darstellen wird als der mögliche und bisher nicht bewiesene Nutzen. Damit führt meine Ärztliche Abwägung bezüglich der Cloudspeicherung zu einem eindeutigen Ergebnis.

Und was hätten Ärztinnen und Ärzte retrospektiv falsch gemacht bei unkritischer Zustimmung?

Ärzte hätten wieder einmal ein uraltes Prinzip nicht beachtet, das Prinzip des Primum nil nocere, ‘Vor allem nicht schaden‘. Gilt seit dem Altertum und wird immer wieder einmal vergessen. Die Gefahr ist aktuell groß, dass in großem Rahmen Schaden angerichtet wird. Ich bin fest entschlossen, diesen Fehler nicht zu machen und werde Strafzahlungen in Kauf nehmen.“

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