Lobbyismus für die elektronische Gesundheitskarte in Aktion – oder: Wie unabhängig sind Wissenschaftler und Universitäten?

Datenschutzrheinmain/ September 18, 2014/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 9Kommentare

Am 16.09.2014 vermeldet die gematik auf Ihrer Homepage: „Die gematik hat der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg den Zuschlag für die Evaluation des größten Vernetzungsprojekts des deutschen Gesundheitswesens erteilt. Die Universität wird im nächsten Jahr die Erprobung der Vernetzung sowie das Zusammenspiel mit der elektronischen Gesundheitskarte in 1000 Praxen und zehn Krankenhäusern wissenschaftlich begleiten… ‚Ich freue mich sehr, dass uns die FAU mit ihrer wissenschaftlichen Expertise in der Erprobung begleiten wird. So stellen wir sicher, dass zusätzlich zu den Erprobungsdaten aus dem technischen Zusammenspiel aller Komponenten auch die überaus wichtige Sicht der Menschen, die mit dieser Technik und den neuen Anwendungen in den Praxen und Kliniken zu tun haben, berücksichtigt wird‘, so Prof. Dr. Arno Elmer, Hauptgeschäftsführer der gematik GmbH. Prof. Dr. Oliver Schöffski, der das Evaluationsprojekt leiten wird, betont: ‚Die Mitwirkung an einem der wichtigsten Projekte im deutschen Gesundheitswesen ist uns ein großes Anliegen. Als Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement der Universität Erlangen-Nürnberg freuen wir uns sehr, durch die Evaluierung zur Qualitätssicherung und optimalen Praxisorientierung bei diesem Projekt beizutragen.‘ Die FAU wird… die notwendigen Daten erheben und ein Gutachten sowie einen Abschlussbericht erstellen. Dann werden die Anwendung des Versichertenstammdatenmanagements und die digitale rechtssichere Unterschrift für die Ärzte bundesweit zur Verfügung gestellt. Zeitnah sollen weitere Anwendungen wie das Notfalldatenmanagement, die sichere Kommunikation für Leistungserbringer sowie Arzneimitteltherapiesicherheit Datenmanagement folgen. Ziel ist es, die Telematikinfrastruktur rasch als bundesweite, sichere und sektorübergreifende Plattform für Fachanwendungen zu etablieren, um Mehrwerte vor allem für die Patienten zu schaffen.“ (Quelle: http://www.gematik.de/cms/de/gematik/presse___oeffentlichkeitsarbeit/meldungen/Meldungen.jsp)

Lieber Herr Prof. Dr. Oliver Schöffski von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Medizinische Informatik: Dem geneigten und informierten Leser stellen sich Fragen…

Nach dem Kongress Telemed 2013 im Juli 2013 wurde ein Beitrag unter dem Titel „Datenschutzkonforme Sekundärnutzung strukturierter und freitextlicher Daten mittels Cloud-Architektur“ veröffentlicht. Am Ende des Beitrags ist zu lesen: „Danksagung Das cloud4health-Konsortium besteht aus der Averbis GmbH (Konsortialführer), der RHÖN-KLINIKUM AG, der TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V., dem Fraunhofer-Institut SCAI und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Das Projekt wird im Zeitraum 12 / 2011 – 11 / 2014 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) im Förderprogramm Trusted Cloud gefördert.“ (Quelle: http://www.telemed-berlin.de/telemed/2013/beitrag/beitrag_leb488_508.pdf).

Wie pflegt der Volksmund zu sagen: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing – oder auch: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus!

Weniger volkstümlich ausgedrückt: Kann die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Medizinische Informatik, die Mitglied im cloud4health-Konsortium und damit auf Big-data-Auswertungen im Medizinbereich spezialisiert ist, ohne interessengeleitet zu sein, ein unabhängiges Gutachten erstellen für eine Anwendung, durch die erst Big-data-Auswertungen möglich gemacht werden sollen?

Zweifel sind mehr als angebracht!

9 Kommentare

  1. …sehr schöne ZUKUNFTSMUSIK – aber mal Tacheles, was kann man ab Januar machen, wenn wirklich keine Karte mehr gültig sein sollte ??? Alles beim Alten, oder wie muss ich mich als zahlender KV Kunde verhalten, daß ich nicht die “neue Karte mit BILD” akzeptieren muss !!! Ich hasse weiterhin das ganze PROZEDERE und den Vorgang, daß keinerlei Überprüfung der Speicherung und Zugriffe von Kundenseite möglich ist…

    1. http://www.patientinformiertsich.de/aktionen/details.php?msgid=302

      Es gibt noch mehr Vorschläge und Formulare, als unter diesem Link. Keine dieser Methoden ist abgesichert.
      Sofern man die Zeit, die Nerven und Mittel hat wäre der Widerspruch mit Unterstützung eines Rechtsanwaltes eine weitere Option. Leider können nicht alle diesen Weg wählen. Würden tausende und zehntausend Widerspruchsklagen bei den Gerichten laden, dann würden sich damit die Chancen erhöhen die eGK zu verhindern.

    2. Die Liste Neuanfang sammelt Handlungsoptionen.

      Du kannst auf jeden Fall die eGK weiterhin boykottieren, die Leistungspflicht der Versicherung ergibt sich nach wie vor daraus, dass du deine Beiträge bezahlst. Wenn die alte Karte nicht mehr funktionert, kannst du dir von der Versicherung auf Papier bescheinigen lassen, dass du versichert bist. Kann sein, dass die Arztpraxis darüber nicht glücklich ist, aber ich habe gestern die Erfahrung gemacht, dass das Verständnis doch sehr groß ist, wenn man seine Datenschutzbedenken erläutert.

      Am besten wäre natürlich eine Klage, aber dafür brauchst du wohl erst mal einen widerspruchsfähigen Bescheid von deiner Kasse.

  2. Der Aspekt “Datenschutzkonforme Sekundärnutzung strukturierter und freitextlicher
    Daten mittels Cloud-Architektur“ ist Big Data Auswertung in seiner reinsten Form nun für die letzte Bastion bisher schwer zugänglicher Medizindaten!
    Vor Monaten habe ich mit der Webseite und der Grafik darauf aufmerksam gemacht: http://www.ocmts.de/egk/html/4___all_in_one.html
    Selbst wenn einzelne Datenpakete der Versicherten verschlüsselt sind, die ‘daneben’ liegenden lesbaren “Sekundärdaten” sind das Gold der DataMining-Architekten, die diese Daten auswerten und nutzen wollten. Big Data und Big Brother in der schönen neuen Welt der gläsernen Patienten. Darauf ist man scharf! Die wissenschaftliche Elite verhält sich in hohem Maße unverantwortlich gegenüber der Gesellschaft weil keine alternativen Konzepte und Modelle für das Medizinwesen entwickelt werden, die aus einem demokratischen Kollaborationsprozess stammen.

  3. Dank der Aufdeckung des DDRM wegen der Kooperation und der Zusammenhänge zwischen Gematik
    und der FAU Erlangen-Nürnberg besteht die Möglichkeit nun noch besser aufzudecken wie die wahren Absichten aussehen. Und hier zeichnet sich ein erschreckendes Detail mit großer Tragweite ab. Da erklärtermaßen, wg der Gesetzgebung (BDSG §4), sowohl Gematik als auch FAU gezwungen sind die medizinischen Daten der Versicherten zu anonymisieren, also ‘personen-erkennbare Daten’ zu entfernen und dies mit einem hohen technischen Aufwand verbunden ist, so ebnet die eGK/TI (telematische Infrastruktur) nun endgültig den Weg dafür im vollen Umfang die Gesundheitsdaten aller Deutschen auszuwerten. Die erschreckende Dimension des Geschehens für unsere Zukunft ist nicht mehr in Worte zu fassen. Wir hören denoch nichts in den Mainstream-Medien was diese erschreckenden Aussichten angeht. Und die Intelligenz, die dies alles erschafft, kommt nicht auf die Idee, dass nicht alles was machbar ist gemacht werden sollte. Der Glaube an die Beherrschbarkeit von allem ist unser Problem. Unser Problem liegt auch in den Strukturen der Wissensschöpfung an den UNI’s, hier fehlt es an innovativen Kozepten der Folgenabschätzung kybernetischer Systeme. Siehe im Kontext http://de.wikipedia.org/wiki/Cyber-physisches_System

  4. Pingback: Lobbyismus für die elektronische Gesundheitskarte in Aktion – oder: Wie unabhängig sind Wissenschaftler und Universitäten? - Aktion: Stoppt die e-Card!

  5. Die neuen Erkenntnisse sind weitreichend, es wird überdeutlich dass die Verschlüsselung, die Bildung von Pseudonymen und der Unkenntlichmachung persönlicher Informationen, in bisher vom Gesetzgeber geschützten Dokumenten, dazu benutzt wird die störenden Gesetze und Hürden des Datenschutzes und der informationellen Selbstbestimmung auszuhebeln.
    Damit wird unrechmäßig legitimiert, nicht nur im Internet frei verfügbare Informationen aus dem Big Data Pool auszuwerten (was jeder naiverweise bisher glaubte), sondern jede existierende Form von personenbezogenen Daten zu transformieren.
    Mit der Bildung von Datenverarbeitungszentralen, die unterstützt von der Politik zu mächtigen Monopolen herangereift sind, wird nun die Verarbeitung hochsensibler Informationen zu verschlüsselten oder entpersonalisierten Datenpaketen erzwungen.
    Die Einholung der Genehmigung der Personen, die Ihre medizinischen Unterlagen, wie Arztbriefe und Formulare für den Cloud4Health Software Prototypen freiwillig zur Verfügung gestellt haben ist äußerst fragwürdig!
    Das Ziel der „Datenschutzkonformen Sekundärnutzung strukturierter und freitextlicher Daten mittels Cloud-Architektur“ wurde mit einem Trick erreicht.
    Der Zusammenschluss der Gematik mit dem cloud4health Konsortium, bestehend aus Averbis GmbH, der Rhön-Klinikum AG, dem Fraunhofer Institut SCAI und der FAU (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen) zeigt nun endgültig wo die Reise der eGK/TI hingeht:
    In die endgültige Aufgabe der persönlichen informationellen Selbstbestimmung des Menschen.
    Dass die Gesetzgeber derart bürgerfern, ohne ein Wort über diese Zusammenhänge zu verlieren, diese Entwicklung unterstützt ist ein Skandal.

  6. Die Kooperation zwischen Gematik und dem Cloud4Health -Konsortium führt zu weiteren Rückschlüssen, was die weitgehend intransparente Datenstruktur der eingesetzten Datenbanken des größten IT-Infrastruktur-Projektes in Deutschland angeht:
    Die Aufdeckung der Datenstruktur zwischen Primär- und Sekundärdaten, abgebildet auf die gesamte telematische Infrastruktur der elektronischen Gesundheitskarte gewinnt oberste Priorität für den Widerstand. Hierzu sollten die bisher bekannt gewordenen Erkenntnisse der XML-Aufbereitung (XML, XSD, Soap) der Gesundheitsdaten durch die Gematik herangezogen werden. Die Analyse der Datenstruktur und der Identifikationsmerkmale zusammenhängender Datensätze ließe Rückschlüsse darauf zu, in welchem Umfang z.B. konkrete Beziehungen zwischen Fachanwendungen und Mehrwertdiensten herstellbar sind. Wenn in der Gesamtarchitektur über Mehrwertdienste generierte Sekundärdaten produziert werden, stellt sich die Frage, in welchem Maße diese dann personalisiert werden können (Gefahr der Profilbildung). Erneut und noch dringlicher stellt sich die Frage, wie und in welchem Umfang Datamining in einem Data-Warehouse betrieben wird? Die gebildeteten Beziehungen zwischen der eGK/TI und Data-Mining/ Data-Warehouse Technologien, als mögliche Option, muss nun umsomehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Siehe http://www.ocmts.de/egk//cloudbigdata.html und http://www.it-ler-analysiert-die-egk.de

  7. Gerade laufen die Diskussionen heiss was Pro und Contra eGK/TI angeht. In den letzten Tagen habe ich nochmal recherchiert was Informatiker an kritischen Beiträgen zur eGK liefern. Leider schließt sich diesen Gruppe der Gegner nicht als starke Kraft zusammen. Unglaublich sind die seichten Äußerungen der Befürworter, angesichts der erdrückenden Fakten und offenen Fragen, die mit der Cloudtechnologie, dem eGK/TI System, zusammenhängen. Es ist leider so dass zunehmend 2 Geschwindkeiten existieren. In dem einen Stream rast die Informationstechnologie voran und in dem langsamen Stream hängen die Leute Jahrzehnte zurück. Krasser könnte die Gesellschaft nicht gespalten sein. Für die Findung neuer Positionen und der Stärkung des friedlichen Widerstands gegen die Gesundheitskarte hier meine neuesten Ausarbeitungen: http://www.ocmts.de/egk/xmlcontainer/index.html

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