Lebenslang gültige Versichertennummer / Telematik-Datenbanken / eGk – ein Versicherter erhebt Klage

Datenschutzrheinmain/ Januar 11, 2015/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 7Kommentare

Ein Versicherter aus Berlin hat der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main seine Klage gegen die eGk und die dazugehörige Telematik zur Verfügung gestellt und zur Veröffentlichung freigegeben.

Aus Sicht der Redaktion dieser Homepage ist die Klagebegründung dadurch von Interesse, dass sie Bezug nimmt auf § 290 SGB V (http://dejure.org/gesetze/SGB_V/290.html), die Regelungen zur lebenslangen Krankenversichertennummer.Diese Argumentation gewinnt vor Hintergrund an Bedeutung, dass Gesundheitsminister Gröhe die von ihm gezählten “mehr als 200 verschiedenen IT-Systeme“ im Gesundheitswesen mit seinem e-Health-Gesetz zusammenführen will (siehe https://ddrm.de/?p=3453), um die dort gespeicherten Daten von Millionen Menschen auswerten zu können. Mit der lebenslang geltenden Krankenversichertennummer wurde vom Bundestag bereits vor mehreren Jahren ein Identifikationsmerkmal geschaffen, dass es zulassen würde, alle Datenbestände, die zu einer konkreten Person an den unterschiedlichsten Speicherplätzen vorhanden sind, zusammen zu führen.

Der Kläger schreibt in seiner Klagebegründung: „Bei der neuen, lebenslang gültigen Versichertennummer handelt es sich um ein unzulässiges Personenkennzeichen, das dazu dient, einzelne Personen in den zunehmenden Datenmengen zu identifizieren. Dies verstößt gegen Art. 1 Grundgesetz und verletzt mein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Grundgesetz, da ich als Einzelner bei der heutigen Verknüpfung verschiedener Datenbanken nicht mehr überschauen kann, welche Konsequenzen sich daraus für das staatliche Handeln ergeben…

Ich verweise hier auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit seiner Entscheidung zur Volkszählung 1983 (BVerfGE 65, 1). In dem Urteil fand sich nicht nur die Begründung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, wonach der Einzelne ‚grundsätzlich selbst zu entscheiden [hat], wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden‘. (Rdnr. 152) Darüber hinaus erlegten die Verfassungsrichter dem Staat das Verbot auf, über seine Bürgerinnen und Bürger Persönlichkeitsprofile zu erstellen. Die Gefahr einer solchen Profilbildung sahen sie insbesondere in den informationstechnischen Möglichkeiten der Datenverarbeitung: Sie mache es leicht, verschiedene Datenbestände unterschiedlicher staatlicher Stellen miteinander zu verknüpfen (s. o.). Insbesondere diese Verknüpfungsmöglichkeiten können dazu führen, dass ‚ein für sich gesehen belangloses Datum einen neuen Stellenwert [bekommt]‘. (Rdnr. 158)“

Der Kläger beantragt in seiner Klageschrift deshalb u. a., ihm bis auf Weiteres „eine Versichertenkarte auszustellen, ohne Foto und Chip und mit bisheriger, alter Versichertennummer (zumindest aber bis zur Klärung durch das Bundesverfassungsgericht).“

7 Kommentare

  1. Wo ist diese, den Datenschützern RheinMain zur Verfügung gestellte Klage in anonymisierter Form einzusehen? Bei welchem Gericht (Verwaltungsgericht?) etc. ist denn diese Klage eingereicht worden?

  2. Ich glaube, die Klageschrift (s.o.) ist ebenso beim zuständigen Sozialgericht einzureichen, denn es geht ja im Grunde um die weitere Nutzung der alten KVK resp. papiergebundenen Anspruchsnachweise im Ersatzverfahren. Auf diesen papiergebundenen Anspruchsnachweise sind nun die neuen lebenslang gültigen Versicherungsnummern aufgedruckt/aufgeschrieben. Da die Begründung in der Klageschrift nun von verfassungsgemäßen Rang ist, kann es gut sein, dass das erstinstanzliche Gericht diese Angelegenheit direkt dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegt (der 6er im Lotto!). Das ist eine Chance.
    Bin kein Fachmann, da sollte man RA Jan Kuhlmann um eine Einschätzung bitten.

  3. Mein juristisch begründeter Brief an die Krankenkasse zur Anforderung eines papiergebundenen Nachweises ist unter http://www.flegel-g.de auf der Startseite oben links unter: „Was ist so schlimm an der eGK?“ zu finden.

    Sie werden begeistert sein!!!

    Der Brief darf und soll hemmungslos weitergegeben werden, damit er möglichst vielen von Nutzen ist. Der Rechtsanspruch auf einen papiergebundenen Nachweis ist jedenfalls JURISTISCH klar begründet.

    WICHTIG: ALLE Sozialträger unterliegen den Verpflichtungen des SGB I, §§ 13 – 17 !!! Dazu gehören auch die gesetzlichen Krankenkassen und die sollten öfter mal daran erinnert werden. Die derzeitigen Schikanen und Lügen betr. Egk verstoßen nämlich alle dagegen und das ist ein Klagegrund, bei dem die Kläger sehr gute Chancen haben.

    Ich jedenfalls werde auch weiterhin kein Foto einreichen.

    Meine o. a. erwähnte ausführliche Klagebegründung ist leider (noch) nicht in voller Länge als Download verfügbar. Ich hoffe aber, daß es noch möglich wird. Jedenfalls haben die Datenschützer meine ausdrückliche Erlaubnis diese und meinen Brief an die KK an jeden weiterzugeben.

    Ich hoffe, daß ich etwas zur Klärung beitragen konnte.

    Jan

  4. Maine Nachricht von eben – Nachtrag:

    Leider konnte ich noch keine Klage einreichen, da mir meine KK nach jeder telefonischen Anforderung prompt eine Quartalsbescheinigung geschickt hat.

    1. Ich finde eine Quartalsbescheinigung eine tolle Lösung und hätte damit überhaupt keine Problem, insofern auch keinen Wunsch zu klagen. Was ist an so einer Quartalsbescheinigung schlimm?

      Tschüss Hedwig.

  5. Vielleicht sollte man mal zu diesem angeblichen, immer wieder vor allem von KKen gern zitierten „Urteil“ des BSG vom 18.11.2014 Az.: B 1 KR 35/13 R sagen, dass es bislang noch gar kein rechtskräftiges Urteil (!) gibt sondern nur einen sogenannten Terminsbericht.
    Ein Terminsbericht entfaltet m. E. keine Rechtskraft; lasse mich aber gerne jurustisch fundiert eines Besseren belehren resp. vom Gegenteil überzeugen …

  6. Seit zwei Jahren und drei Monaten habe ich mir jedes Quartal bei meiner KK eine Bescheinigung zur Behandlung abgeholt. Gestern, am 07.04.2015 wurde mir gesagt, dass es nur noch Bescheinigungen für 14 Tage gibt und es keine Möglichkeit gibt, den Zeitraum zu verlängern.
    Abgesehen davon, dass mit den (geplanten) Daten, die einmal darauf gespeichert werden sollen, Mißbrauch in jeder Form betrieben werden kann und vermutlich auch wird, sowie der Massendatenspeicherung über die gesamte Lebenszeit eines Menschen, ist meine Weltanschauung u. a. gegen die Digitalisierung der Menschen gerichtet. Also prinzipiell gegen jegliche Digitalisierung der Persönlichkeit und ihrer Tätigkeiten.
    Auf meine telefonische Anfrage am nächsten Tag, also heute, wurde mir auf meine Frage, warum es denn keine Vierteljahresbescheinigungen mehr gibt, geantwortet : „Rechtliche Grundlage ist hierfür § 19 Abs. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä). Die Vereinbarung wurde zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband getroffen.“ So also die Aussage. Auf meinen Einwand, dass im GG Art. 3 (3) Gleichheit vor dem Gesetz, sowie Art. 4 (1) glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit, explizit die Weltanschauung genannt ist, soll ein Bundesmantelvertrag höher bewertet werden als das GG? Darauf wurde mir nur geantwortet, dass der „Gesetzgeber“ dies ebenso verankert hat. Also scheint es keine Rolle zu spielen, wenn das GG dagegen steht.
    Meine Frage nun wäre: Wie und wo könnte ich mich einer Sammelklage anschließen??? Ich wäre sehr dankbar, wenn ich möglicht schnell eine Antwort erhalten könnte. Vielen Dank dafür im Voraus.

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