KI-gestützte Videoüberwachung im Frankfurter Bahnhofsviertel – ein Fall für den Hessischen Datenschutzbeauftragten
Mit einer Beschwerde gegen die Installation von Videoüberwachungsanlagen mit biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierung, die auch die Rundum-Überwachung der Prostituierten-Beratungsstelle Doña Carmen e.V. ermöglichen, hat sich der Verein Doña Carmen e.V. am 26.06.2025 an den Hessischen Datenschutzbeauftragten gewandt.
Durch die Videoüberwachung an der Kreuzung Taunus- / Elbestraße im Frankfurter Bahnhofsviertel
Foto bereitgestellt von Doña Carmen e.V.
unterliegt auch die Beratungsstelle des Vereins einer polizeilichen Rundum-Überwachung. Die von Doña Carmen e.V. betreuten und beratenen Menschen sind Sexarbeiter*innen und deren Angehörige. Sexarbeiter*innen sind trotz der Legalisierung der Prostitution in Deutschland nach wie vor eine stigmatisierte und marginalisierte Bevölkerungsgruppe. Die Installation martialischer „Videoschutzanlagen“ in unmittelbarer Nähe des Eingangsbereichs der Beratungsstelle erlaubt keinen nicht mehr videoüberwachten Zugang zu der Einrichtung, die von Sexarbeiter*innen aus dem ganzen Bundesgebiet frequentiert wird.
Der Verein Doña Carmen e.V. hat über Jahrzehnte hinweg mit viel ehrenamtlichem Engagement an einem vertrauensvollen Verhältnis zu den vom Verein beratenen Menschen gearbeitet. Durch die nun installierte Videoüberwachung sieht der Verein dieses Vertrauensverhältnis und damit die Früchte seiner langjährigen Arbeit durch öffentliche Stellen fahrlässig aufs Spiel gesetzt.
Aus Sicht von Doña Carmen e.V. ist diese KI-gestützte Videoüberwachung, die nach § 14 Abs. 8 HSOG eine „biometrische Echtzeit-Fernidentifizierung in öffentlich zugänglichen Räumen“ erlaubt, nicht verhältnismäßig und somit nicht datenschutzkonform. In seiner Einschätzung sieht sich der Verein Doña Carmen e.V. durch die Bewertung der Berliner Datenschutzbeauftragten in einem ähnlich gelagerten Fall in Berlin-Kreuzberg bestätigt. Als Verein, der sich seit vielen Jahren in Frankfurt und bundesweit gegen die Diskriminierung von Sexarbeiter*innen in der Prostitution einsetzt, erwartet Doña Carmen e.V. – unabhängig vom Fall der von Rundum-Überwachung betroffenen Beratungsstelle des Vereins – eine klare Stellungnahme des Hessischen Datenschutzbesuftragten zur Frage der Verhältnismäßigkeit der Videoüberwachung der Bordelle im Frankfurter Bahnhofsviertel. Unterstützt von der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main fordert Doña Carmen e.V. vom Hessischen Datenschutzbeauftragten, seine Untersuchungs-befugnisse auszuschöpfen und seine Kompetenzen nach Art. 58 DSGVO und § 40 BDSG zu nutzen, um ein Verbot der unverhältnismäßigen und daher rechtswidrigen Video-Überwachungsmaßnahmen im Frankfurter Bahnhofsviertel zu erreichen.
Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main begrüßt es, dass Doña Carmen e.V. am eigenen Beispiel deutlich macht, wie sehr die law-and-order-Politik der hessischen Landesregierung in Grundrechte marginalisierter Menschen im Frankfurter Bahnhofsviertel eingreift und die Arbeit der sie beratenden und unterstützenden Organisationen belastet. Dies betrifft z. B. auch im Bahnhofsviertel ansässige Einrichtungen, die drogenabhängige Menschen oder Migrant*innen bei der Bewältigung ihrer Probleme helfen. Letztlich sind alle im Bahnhofsviertel lebenden und arbeitenden Menschen dem von polizeilichen Maßnahmen ausgehenden Überwachungsdruck ausgesetzt, ohne dass dieser geeignet ist, die sozialen Probleme zu reduzieren oder gar zu beseitigen.
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung von Doña Carmen e.V. und der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main vom 28.06.2025