Hessischer Städte- und Gemeindebund zu kommunalen Informationsfreiheitssatzungen: „…dass wir… vom Erlass einer entsprechenden Satzung grundsätzlich dringend abraten… dass vermeintliche Transparenz an sich keinen Wert darstellt…“
Diese Aussagen stehen am Beginn eines dreiseitigen Schreibens, das der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) am 08.09.2022 an den Gemeindevorstand der Gemeinde Wehrheim im Hochtaunuskreis richtete.
Aud das Schreiben wurde die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main durch einen Einwohner des Hochtaunuskreises hingewiesen.
Zum Hintergrund: In der Gemeinde Wehrheim, an die sich die Stellungnahme des HSGB richtet, hat die örtliche FDP-Fraktion im Juli 2022 einen Antrag zum Erlass einer kommunalen Transparenz- und Informationsfreiheitssatzung eingebracht. In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 10.11.2022 wurde von den Gemeindevertreter*innen der Antrag der FDP-Fraktion und die Stellungnahme des HSGB – lt. Niederschrift über diese Sitzung – besprochen und „vorgeschlagen, die Vorlage im 1. Quartal 2023 erneut auf die Tagesordnung zu nehmen. Bis dahin haben alle Fraktionen die Möglichkeit, den Satzungsentwurf und die Stellungnahme des HSGB nochmals zu beraten…“
Ein vordemokratisches Staatsverständnis
durchzieht das gesamte Schreiben des HSGB. Am Ende des Schreibens wird die eingangs benannte Position noch einmal wiederholt und bekräftigt:
Der hessische Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragte
Prof. Alexander Roßnagel vertritt auf der Homepage seiner Behörde ein völlig entgegengesetztes Staats- und Demokratieverständnis: „Informationsfreiheit bedeutet, dass jedem Bürger ein Anspruch auf Zugang zu den bei öffentlichen Stellen vorhandenen amtlichen Informationen zusteht. Hierdurch wird die Verwaltung dem Anspruch an eine transparente und nachvollziehbare Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben gerecht und stärkt das Vertrauen der Bürger in den Staat…“ Im Unterschied zu allen anderen Bundesländern, die über Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze verfügen, wurden in Hessen die Städte, Gemeinden und Landkreise auf der Grundlage des § 81 Abs. 1 Ziff. 7 HDSIG nicht zwingend, sondern nur optional in den Geltungsbereich des Gesetzes aufgenommen. Prof. Alexander Roßnagel stellt in seinem Tätigkeitsbericht für 2021 fest: „Obwohl die Informationsfreiheit in Hessen immer noch nur in der Landesverwaltung und wenigen Gemeinden und Landkreisen gilt, hatte ich als Informationsfreiheitsbeauftragter im Berichtsjahr viele interessante Fragen zur Informationsfreiheit zu beantworten und unterstützte ich viele Bürgerinnen und Bürger bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche..“.
Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Baden-Württemberg wird in seinem Newsletter 02/2022 noch deutlicher: „Das Amtsgeheimnis gibt es nicht mehr. Der freie Zugang zu amtlichen Informationen ist ein Grundrecht. Das, was an Informationen in Behörden liegt, gehört den Bürger_innen…“
Ein Beispiel, wie es anders und besser gemacht werden kann
als in Hessen, ist das Transparenzportal Hamburg. Im Hamburgischen Transparenzgesetz (HmbTG) ist festgelegt, welche Stellen ihre Dokumente und Daten im Transparenzportal Hamburg veröffentlichen. In § 2 Abs. 3 HmbTG ist definiert, dass Hamburgische Behörden einschließlich der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie natürliche oder juristische Personen des Privatrechts veröffentlichungspflichtig sind. Letztere sind verpflichtet, sofern sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und der Kontrolle der Freien und Hansestadt Hamburg unterliegen.
Die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland hat am 02.07.2021 gefordert: „Ein Transparenzgesetz mit Vorbildfunktion schaffen!“ Im Beschluss wird festgestellt: „Informationen sind die Basis einer Demokratie. Ein demokratischer Staat kann nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen. Das Recht auf Zugang zu Informationen ist ein zentrales Element zur Regelung des Informationsflusses von staatlichen Stellen zu Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland. Moderne Transparenzgesetze stellen die Informationen über ein Register im Internet voraussetzungs- und kostenlos zur Verfügung.Die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland (IFK) fordert den Gesetzgeber daher auf, das Informationsfreiheitsrecht des Bundes in der nächsten Legislaturperiode zuut beraten, wenn sie modernisieren und das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes zu einem modernen Transparenzgesetz mit einem Transparenzregister weiterzuentwickeln.“
Die Gemeindevertreter*innen im Wehrheim sind gut beraten, wenn sie bei ihren Beratungen und Entscheidungen über den Antrag der FDP-Fraktion auch diese Informationen und Bewertungen einbeziehen.
Nimmt man diesen Bericht zur Gemeinde Wehrheim mit der Stellungnahme des HSGB, können meiner
Ansicht nach Zweifel an Artikel 3 GG aufkommen. Wie kann es sein, dass ein Bürger Hessens weniger
Rechte als etwa ein Bürger Baden – Wartenbergs hat. In meiner Stadt in Hessen werden bislang nicht einmal einfache Bürgeranfragen beantwortet, die keinerlei Datenschutz berühren. Man beruft sich auf
das HDSIG, das man nicht unterschrieben hätte.