E-Health-Gesetz von Bundesgesundheitsminister Gröhe – was haben Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen zu erwarten?
Ende Juni 2014 verkündete Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe beim <Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit>, dass er noch im Dezember 2014 ein E-Health-Gesetz in den Bundestag einbringen wolle (http://www.bmg.bund.de/ministerium/presse/reden/haupstadtkongress.html). Diese Absicht bekräftigte er auch in einem Beitrag von Anfang August 2014 auf der Homepage des BMG (http://www.bmg.bund.de/ministerium/presse/interviews/gelber-dienst-110814.html) und in seiner Haushaltsrede Anfang September im Bundestag (http://www.bmg.bund.de/ministerium/presse/reden/bundeshaushalt-2015.html). Inzwischen wurde die Vorlage eines Referentenentwurfs für dieses Gesetz für Mitte Januar 2015 angekündigt. Außer den beiden Reden und dem Aufsatz von Gröhe sind der Öffentlichkeit derzeit noch keine Einzelheiten bekannt, die Rückschlüsse auf den Inhalt des Gesetzentwurfszulassen. Insoweit sind Bewertungen noch mit einem Risiko behaftet. Es ist wg. erkennbarer Tendenzen aber trotzdem sinnvoll, bereits vor Veröffentlichung des Gesetzentwurfs auf voraussichtlich zu erwartende Probleme und Risiken hinzuweisen.
Seine Beweggründe für ein E-Health-Gesetz benannte Gröhe beim <Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit> u. a. wie folgt: „Voraussetzung für den schnellen und sicheren Datenaustausch von Patienteninformationen ist eine entsprechende Telematikinfrastruktur, die den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die für den Aufbau und die Nutzung der Telematikinfrastruktur erforderlich ist, entspricht. Ich werde deshalb noch in diesem Jahr den Entwurf eines ‚E-Health-Gesetzes‘ vorlegen, mit dem wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Aufbau und die Nutzung der Telematikinfrastruktur weiter konkretisieren. Unser Ziel sind klare Festlegungen und Vereinbarungen, um die Umsetzung zu erleichtern und zu beschleunigen… Dies betrifft z.B. die Bereitstellung von Notfalldaten und die Förderung elektronischer Entlassbriefe. Außerdem wollen wir, dass die Telematikinfrastruktur als zentrale Infrastruktur nicht nur für Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte genutzt werden kann, sondern für weitere Anwendungen geöffnet wird.“
Und in seinem Beitrag von Anfang August 2014 auf der Homepage des BMG erklärte er u. a.: „Das E-Health-Gesetz zielt darauf, dass wir schneller Notfalldaten erfassen, einen standardisierten Medikationsplan einführen und vor allem die mehr als 200 verschiedenen IT-Systeme in der ambulanten und stationären Versorgung verknüpfen können.“
Die Ankündigungen von Herrn Gröhe lassen zwei zentrale Gefahren erkennen, die den knapp 70 Mio. Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen beim Schutz ihrer Gesundheitsdaten vor den Zugriffen interessierter Dritter drohen:
- Die Harmonisierung der von Gröhe gezählten “mehr als 200 verschiedenen IT-Systeme“ würde eine Zusammenführung der in verschiedenen Datenbanken und in zehntausenden von Arztpraxen und Apotheken gespeicherten Daten von Millionen Menschen zulassen. Mit der neuen – lebenslang geltenden – Mitgliedsnummer in der gesetzl. Krankenversicherung (§ 290 SGB V – siehe http://dejure.org/gesetze/SGB_V/290.html) wurde bereits ein Identifikationsmerkmal geschaffen, dass es zulassen würde, alle Datenbestände, die zu einer konkreten Person an den unterschiedlichsten Speicherplätzen vorhanden sind, zusammen zu führen.
- Die sogenannten Mehrwertdienste, die mit der eGk und der Telematik-Infrastruktur anfallen und genutzt werden sollen (e-Rezept, e-Arztbrief etc.), könnten als Pflichtanwendungen statt als freiwillige Anwendungen (wie bisher in § 291a SGB V geregelt) normiert werden. Die nach jetziger Rechtslage noch vorhandene Selbstbestimmung, welche Gesundheitsdaten ich in einen zentralen Datenpool einspeichern lasse, könnte untergraben werden. Um die nicht allzu offensichtlich werden zu lassen, wäre eine opt-out-Regelung denkbar: Ich muss aktiv NEIN! dazu sagen, dass meine Gesundheitsdaten zentral registriert und gespeichert werden. Das ist z. B das österreichische ELGA-Verfahren (Informationen zu ELGA: https://ddrm.de/?p=2086). Nach den derzeitigen Reglungen im SGB V gibt es eine opt-in-Regelung; eine Speicherung meiner Gesundheitsdaten in einem zentralen Datenpool bedarf meiner vorherigen schriftlichen Zustimmung.
Was mit dem e-Health-Gesetz an Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung der Mitglieder gesetzl. Krankenkassen beinhalten könnte, lässt sich derzeit am ehesten ablesen an den Reaktionen aus den Unternehmen und Lobbygruppen der IT-Gesundheitsindustrie. Zwei Beispiele:
- Unter dem Titel „Forschungssperre Datenschutz?“ hat Holger Cordes, Geschäftsführer der Cerner Deutschland GmbH auf dem 15. Deutsche Medizinrechtstag am 12./13.09.2014 in Berlin einen Vortrag gehalten. Herr Cordes repräsentiert als Geschäftsführer der Cerner Deutschland GmbH ein Schwergewicht der IT-Gesundheitsindustrie. Das Unternehmen (https://www.cerner.com/?langtype=1031) ist das deutsche Tochterunternehmen der US-amerikanischen Cerner Corporation (https://de.wikipedia.org/wiki/Cerner_Corporation). Dieses Unternehmen entwickelt Informationstechnik für den Bereich Gesundheitswesen. Es beschäftigt weltweit rund 14.000 Mitarbeiter. Die Aktien werden an der New Yorker Börse NASDAQ im NASDAQ-100 gehandelt. Also durchaus ein Schwergewicht in der internationalen IT-Gesundheitsindustrie. Und das Gewicht wird in Kürze noch zunehmen. Auf der Homepage der Cerner Deutschland GmbH wird verkündet: „Cerner übernimmt Siemens HS für 1,3 Mrd. USD“. Siemens HS ist die Krankenhaus-IT-Sparte von Siemens, sie hat derzeit ca. 6.000 Beschäftigte, die Mehrzahl in Deutschland. der Vortrag von Herrn Cordes (cordes-dmrt-2014-berlin) beinhaltet einen massiven Angriff auf deutsches Datenschutzrecht im Gesundheitswesen. Das wird insbesondere an folgenden Aussagen deutlich: „Datenschutz kann auch vor Fortschritt schützen“ (S. 18 des Folienvortrags); „Wünschenswert: Umkehrung von Erlaubnis- in Verbotsvorbehalt“ (S. 18 des Folienvortrags); „An medizinischer Erkenntnis mittels Massendaten wird kein Weg vorbeiführen“ (S. 21 des Folienvortrags); „Lassen wir nicht zu, dass Deutschland durch ein gut gemeintes, aber schwer praktizierbares Datenschutzrecht an der Entwicklung keinen Anteil hat“ (S. 21 des Folienvortrags). Die als wünschenswert bezeichnete “Umkehrung von Erlaubnis- in Verbotsvorbehalt“ ist im Klartext die Forderung, die Freiwilligkeit bei der Preisgabe der eigenen Gesundheitsdaten aufzuweichen und zu erschweren. Diese Daten sollen durch interessierte Dritte genutzt werden dürfen, wenn sie in den Datenbanken der gematik vorhanden sind und ihrer Nutzung vom Betroffenen nicht ausdrücklich widersprochen wird.
- Heise.de meldete Mitte November 2014: „Die eGK soll sich für Körperdatensammler wie HealthKit und Apple Watch öffnen … Die Medizin-Informatikerin Britta Böckmann plädierte… bei einer Anhörung des Bundestagsausschusses Digitale Agenda dafür, solche Apps mit den Patientendaten zu vernetzen. ‚Wir müssen die Plattform öffnen für Anwendungen, die nichts mit der Gesundheitskarte zu tun haben‘, sagte Böckmann… ‚Das wird für Akzeptanz sorgen‘. Sie nannte Apples mit iOS 8 eingeführten Gesundheitsdienst.“ (http://www.heise.de/newsticker/meldung/Elektronische-Gesundheitskarte-Mit-Koepertrackern-vernetzen-2454873.html). in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung im Bundestag erklärt Frau Böckmann: „Die Gesundheitskarte an sich und die geplante Telematikinfrastruktur… bilden allerdings nur die Autobahn. Ob es dann praktikabel ist, dass z. B. Zugriffe auf Patientendaten nur im Beisein des Patienten mit gleichzeitig gesteckter Karte erfolgen sollen, werden die Testregionen zeigen…“ (http://www.bundestag.de/blob/339934/896a22d5b10b20ebdad1bd241c47c335/stellungnahme_boeckmann-data.pdf – dort Seite 1, 2. Absatz). Ein stärkerer Angriff auf die informationelle Selbstbestimmun über sensibelste Gesundheitsdaten ist schlechterdings nicht vorstellbar. Wer ist Britta Böckmann? Eine Lobbyistin der IT-Gesundheitsindustrie! Um das zu bestätigen, reicht ein Blick auf die Homepage von E-HEALTH-COM, einer Propaganda-Webseite der Förderer und Nutznießer der IT-Entwicklung im Gesundheitswesen. Dort ist nachzulesen: „Prof. Dr. Britta Böckmann… studierte Medizinische Informatik mit dem Schwerpunkt Bild- und Signalverarbeitung… Bis 2000 war sie als Beraterin bei PriceWaterhouse Coopers tätig. 2001 wurde Böckmann Geschäftsführerin bei der ITB GmbH in Köln. Im selben Jahr wurde sie in den Vorstand berufen und war dort u.a. für den Aufbau eines eigenständigen Vertriebs und Produktmarketings und für die Betreuung von Key Accounts, u.a. Rhönkliniken und Bundesknappschaft verantwortlich. Im April 2004 übernahm sie zusätzlich den Bereich Consulting bei der ITB. Seit 2006 ist Böckmann Professorin für Medizinische Informatik an der FH Dortmund.“ (Quelle: http://www.e-health-com.eu/who-is-who/einzelne-eintraege/boeckmann-prof-dr-britta/).
Soweit einige Informationen zum derzeitigen Kenntnisstand in Sachen e-Healt-Gesetz. Es ist notwendig, dass sich die GegnerInnen der eGk und der gesamten geplanten Telematik-Infrastruktur sofort nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs mit diesem Gesetzgebungsverfahren auseinander setzen.
Wie lange wird es in diesem unserem „demokratischen“ Staat noch dauern, bis jedem Menschen, besonders Neugeborenen lebenslang ein Chip eingepflant wird? Natürlich nur zu seinem Wohle …
Wie heisst es doch so schön im Art. 1 (1) des GG: Die Würde des Menschen ist (un) antastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewwalt.
Da bekommt der Begriff „staatliche Gewalt“ s/eine ganz eigene Bedeutung …
Gröhe hatte von vornherein geplant, daß der elekt.Arztbrief, die Röntgenbefunde sowie Rezepte ohne unsere Einwilligung gespeichert bzw. Pflicht werden.
Wenn das sich jetzt so heraus stellen sollte, wäre dies doch ein Klagegrund.
Gruß Mona
Herr Gröhe hatte ja von vornherein vor, den elektr. Arztbrief, die Röngenaufnahmen sowie die Rezepte ohne unser Einverständnis, d.h. per Zwang auf der eGK zu speichern. Und so wird es sicherlich auch kommen. Aber da es ja momentan heißt, alles sei freiwillig, wäre das ja dann ein Grund, dagegen zu klagen.