Der Notfalldatensatz auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGk) – sinnig oder unsinnig?

Datenschutzrheinmain/ Juli 5, 2016/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 1Kommentare

Die Befürworter und Lobbyisten der eGk und des telematischen Systems im Gesundheitswesen jubeln. Erstmals hat sich die Führung eines ärztlichen Fachverbands uneingeschränkt positiv über eine sogenannte freiwillige Anwendung im Rahmen der eGk-Nutzung ausgesprochen: In einer Pressemitteilung vom 22.06.2016 hat die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) erklärt, dass sie im geplanten Ausbau der elektronischen Gesundheitskarte einen erheblichen Nutzen für die künftige Patientenversorgung sieht. Im Zuge eines bundesweiten Notfalldaten-Managements soll zum 01.01.2018 auf der elektronischen Gesundheitskarte der sogenannte Notfalldatensatz (§ 291a Abs. 3 Ziffer 1 SGB V) eingeführt werden.

Die Gematik meldete dazu am 14.04.2016: In einem Zeitraum von sechs Monaten werden ab Juni 2016 Ärzte aus der Region Münster und Umgebung für rund 4000 Patienten Notfalldatensätze anlegen. An dem Test nehmen 32 Hausärzte und Internisten zusammen mit Kollegen am Universitätsklinikum Münster teil.”

Es können also noch keine umfangreichen Praxiserfahrungen vorliegen. Aber der DGU-Generalsekretär Professor Reinhard Hoffmann kann schon am 22.06.2016 apodiktisch feststellen:  „Der schnelle Zugriff auf Notfalldaten ist wichtig für die Behandlung eines Schwerverletzten“.

Lassen wir als zweite Stimme einen praktischen Arzt zu Wort kommen, der mehrere Jahre als Notarzt beruflich tätig war. Wilfried Deiß, Internist und Hausarzt mit einer Praxis in Siegen und mit früheren Berufserfahrungen als Krankenhausarzt und als Notarzt, hat in einer Stellungnahme vom Dezember 2014schon vor mehreren Jahren Stellung bezogen: „Für mich also Notarzt war schon vor Jahren erkennbar, dass das Prinzip der GK-Cloud nur selten wirklich hilfreich sein wird. Wenn ich als Notarzt zu einem leblosen oder nicht ansprechbaren Patienten komme, sind Vorinformationen zunächst zweitrangig. Wenn ein Herz-Kreislauf-Stillstand besteht, laufen die weiteren Maßnahmen nach einem festen Schema ab. Während einer Reanimation beauftrage ich nebenbei einen der Rettungssanitäter, in den Taschen des Patienten nach zu sehen, ob es irgendwelche schriftlichen Informationen über Diagnosen oder einen Medikamentenplan gibt, dann kann das schon einmal hilfreich sein… Demgegenüber nützt uns die Gesundheitskarte kaum etwas… Wenn wir nun im Notfall beim Patient eine Gesundheitskarte vorfinden, wissen wir noch nicht, ob der Patient zu denen gehört, die ihre Zustimmung erteilt haben. Wir könnten -wenn wir die Zeit dazu hätten- die Gesundheitskarte in unseren Notarzt-Laptop einführen und das prüfen. Wenn ja, dann dürften wir den ‚Notfalldatensatz‘ aus der Karte auslesen… Zudem auch der Inhalt des Notfalldatensatzes sehr fraglich ist. Was soll denn da rein, was soll der Hausarzt da reinschreiben? Nennung von Allergien und Unverträglichkeiten bringt im Notfall so gut wir gar nichts. Also müssten doch eigentlich alle wichtigen Vorerkrankungen mit rein, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Diabetes, Krampfanfälle… Zudem: Vielleicht einer von 1000 Patienten, für die Notfalldatensätze geschrieben wurden, gerät bewusstlos an einen Notarzt, und bei nur jedem 5000ten bringt dem Notarzt diese Information etwas…“

Der Beitrag von Herrn Deiß ist hier im Wortlaut dokumentiert.

Nachtrag 09.07.2016:

Herr Deiß hat der Redaktion dieser Homepage zwei weitere Texte zu dieser Thematik zur Verfügung gestellt:

  • Einen aktuellen Leserbrief von ihm, der in der nächsten Ausgabe der ZFA = Zeitschrift für Allgemeinmedizin,  Organ der DEGAM= Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin  erscheinen wird und
  • einen Textbeitrag aus dem Deutschen Ärzteblatt von 2008 mit dem Titel „Notfalldaten – mehr Schein als Sein“.

 

 

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