Das Beschäftigten“datenschutzgesetz“ oder: Segeln unter falscher Flagge!

Datenschutzrheinmain/ Oktober 11, 2012/ Beschäftigtendatenschutz/ 2Kommentare

Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen CDU/CSU und FDP planen, noch in diesem Jahr eine Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) in den parlamentarischen Gremien zu beraten und zu beschließen. Die Änderung des BDSG betrifft den Beschäftigtendatenschutz. Die beabsichtigten Änderungen stellen eine gravierende Verschlechterung der Rechte von Beschäftigten in der Privatwirtschaft und in den Teilen des öffentlichen Dienstes dar, der mittelbar und unmittelbar im Auftrag des Bundes tätig ist. Mit der von CDU/CSU/FDP gewollten Gesetzesänderung würden nachträglich die die Datenschutzskandale der letzten Jahre (Telekom, Lidl, Deutsche Bahn, Bundesagentur für Arbeit etc.) legitimiert.

An welchen Punkten soll der Beschäftigtendatenschutz reduziert werden?

1.

Mit dem jederzeit möglichen anlasslosen Screening aller Beschäftigter können Arbeitgeber sich einen zunächst noch anonymen Missbrauchsverdacht jederzeit selbst schaffen. Führt ein Screening zu Hinweisen darauf, dass im Unternehmen beispielsweise Geheimnisse verraten oder Betrugsdelikte begangen wurden, können im zweiten Schritt nach dem neuen Gesetz auch vertrauliche Daten in E-Mails ausspioniert werden. Die bisherigen Schutzregelungen im Teledienstedatenschutzgesetz wären damit ausgehebelt.

2.

Die Weigerung von Beschäftigten, Einwilligungen zu Datenerhebungen abzugeben, kann von Firmen- und Amtsleitungen mit Sanktionen verbunden werden. Im Arbeitsprozess stehen Beschäftigte ihrem Arbeitsvertragspartner trotz formaler Gleichheit als der Schwächere gegenüber. In Zeiten von wirtrschaftlicher Krise und Massenarbeitslosigkeit verstärkt sich dieses Ungleichgewicht weiter. Ihre stärkere Positionen können Unternehmen und die Einrichtungen des Bundes ausnutzen, um Beschäftigte zur Einwilligung in Datenerhebungen zu zwingen. Denn wer traut sich in wirtschaftlich krisenhaften Zeiten, im Bewerbungsverfahren, in der Probezeit oder vor einer in Aussicht stehenden Beförderung / Höhergruppierung eine Einwilligung zu versagen?

3.

Die heimliche Überwachung von Beschäftigten soll erlaubt werden. Schon wenn der Verdacht besteht, dass eine Pflichtverletzung begangen sein könnte, die ggf. eine Kündigung rechtfertigen würde, könnte künftig heimlich überwacht werden. Dies öffnet die Tür für gläserne Belegschaften und Permanentüberwachung. Gerade in einer Arbeitswelt, in der das Verspeisen einer Frikadelle, die nach einem Meeting übrig geblieben ist, einen Kündigungsgrund darstellen soll und in der Arbeitgeber mit weitreichenden und umfassenden Arbeitsvorgaben und Richtlinien sich gegen alle Eventualitäten abzusichern versuchen, braucht es weniger – nicht mehr – Rechte für Firmen- und Amtsleitungen. Die Annahme scheint berechtigt, dass vor diesem Hintergrund die auf einem Firmenrechner gespeicherte Karikatur, der private Terminkalender oder ein gespeicherter interessanter Artikel, der aber vom Arbeitgeber nicht für notwendig erachtet wird, in Zukunft als Pflichtverletzung und damit als Überwachungsgrund dienen könnte.

Der Gesetzentwurf wurde in den letzten Wochen zudem an einer entscheidenden Stelle (Telefonüberwachung von Beschäftigten in Callcentern) noch zu Lasten der betroffenen Beschäftigten verschärft. Die dafür angegebene Begründung mutet abenteuerlich an: Mit einer solchen Maßnahme sei es besser möglich, sachgerechte Beurteilungen und Arbeitszeugnisse abzugeben.

4.

Bei internen Stellenwechseln könnten künftig ärztliche Untersuchungen angeordnet werden, mit nicht nur datenschutzrechtlichen Konsequenzen. Nicht auszumalen, wenn böswillige Vorgesetzte nun auch datenschutzrechtlich die Möglichkeit bekommen, psychische Belastbarkeit von Menschen mit Familienverpflichtungen näher untersuchen zu lassen oder beim ersten Anschein von Übergewicht auf eine ärztliche Untersuchung zu drängen, mit der Behauptung man habe den Anschein, dass die / der Bewerber/in oder Beschäftigte mittelfristig den Arbeitsanforderungen nicht gerecht werden könne.

5.

Wenn der Gesetzentwurf von CDU/CSU/FDP  Wirklichkeit würde könnte das Niveau des Datenschutzes mit Betriebs- und Dienstvereinbarungen noch unterhalb gesetzliche Standards gedrückt werden. Betriebs- und Personalräte würden noch stärker erpressbar, als sie es bereits jetzt auf Grund ungenügender Rechte und der gesamtwirtschaftlichen Situation schon sind. Ihre Aufgabe nach dem Personalvertretungs- und Betriebsverfassungsrecht, die Möglichkeiten der Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Beschäftigten zu begrenzen und durch betriebliche Regelungen zu normieren, würde weitgehend ins Leere laufen. Das Maß an betrieblichem Datenschutz würde zum Spielball der Arbeitgeber beim betrieblichen Interessensausgleich, dem Abschluss von Betriebs- und Dienstvereinbarungen und bei personellen Einzelmaßnahmen.

6.

Künftig könnten auf Basis des neuen Konzernprivilegs innerhalb von Konzernen über Unternehmens- und Staatsgrenzen hinweg personenbezogene Daten von Beschäftigten im Ausland gespeichert, verarbeitet und ausgewertet werden. Das Weiterbildungsmanagement könnte beispielsweise von Indien und die Personaldatenverarbeitung von Budapest aus organisiert werden. Die Betriebsräte in Deutschland wären dann durch räumliche Distanz und die Ungültigkeit deutscher Rechtsnormen im Ausland von Entscheidungsstrukturen abgekoppelt und in ihren Überwachungsaufgaben zum Schutz der Beschäftigten weitgehend entwaffnet. Der Transparenz betrieblicher Entscheidungen, der betrieblichen Demokratie und den Beteiligungsrechten der Betriebsräte würde damit massiver Schaden zugefügt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften, aber auch ca. 3.000 Betriebs- und Personalratsgremien haben in den letzten 2 Jahren im Rahmen der Beratung des Gesetzentwurfs ernsthafte und tiefgehende Kritik sowohl an der „Philosophie“ als auch an vielen konkreten Regelungstatbeständen des geplanten Gesetzes geübt.

Zwei Beispiele aus der betrieblichen Praxis können dies illustrieren:

120613 ZVL Resolution-Beschäftigtendatenschutz Hannover

gpr-stadtzeitung ffm august 2012

Wünschenswert wäre, wenn diese Beispiele auch andere betriebliche Interessenvertretungen anregen würden, ähnliche Stellungnahmen abzugeben.

Aber auch jeder betroffene Beschäftigte hat individuell die Möglichkeit, seinen Protest deutlich zu machen: Mit einem Schreiben an den für den jeweiligen Wahlkreis zuständigen Bundestagsabgeordneten oder an die Fraktionsspitzen von CDU/CSU und FDP. Kontaktdaten sind zu finden  unter http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/index.jsp.

2 Kommentare

  1. Ein interessantes Buch zum Thema:
    http://www.efweha-verlag.de/_sgg/m1m1s2_1.htm
    Autor ist Professor Franz Josef Düwell, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a.D. hinweisen.
    Der Titel lautet: „Beschäftigtendatenschutz im Fokus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts – Der Auftrag des Gesetzgebers und der Beitrag der Gerichte“

  2. Noch ein Buch!. Buchbesprechung gefunden in „ver.di NEWS“ 15/2012 (http://www.verdi-news.de/) der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft.

    „Grenzenlos vernetzt?

    (-kel) Das Internet verwandelt sich gegenwärtig in ein Medium, das aus einem Zustand der Anarchie mühsam in die bürgerliche Gesellschaft eingegliedert wird. In der öffentlichen Debatte netzpolitischer Fragen dominierten bislang die Sichtweisen von Politikern, regulierungsfeindlicher Nerds und profitorientierter Verwerter. Nun liegt eine Darstellung vor, in der die verschiedenen Problemfelder der Netzpolitik konsequent aus gewerkschaftlicher Perspektive betrachtet werden. Ein überfälliger Schritt, denn „die digitale Vernetzung verändert Wirtschaft und Gesellschaft, entgrenzt insbesondere die Arbeitswelt in Raum und Zeit und stellt neue Anforderungen an deren humane und soziale Gestaltung“. Die Autor/innen beschäftigen sich mit Meinungsfreiheit und -vielfalt im Internet, dem Ausbau breitbandiger Netze in Deutschland und dem E-Government. Es geht um die ambivalente „neue Beweglichkeit“ digital vernetzter Arbeit, um Persönlichkeitsrechte am Arbeitsplatz, um „digitale Bohème“ und „digitales Proletariat“, um Datenschutz und Mitbestimmung in der digitalen Wirtschaft.

    Frank Bsirske/Lothar Schröder/Frank Werneke/Dina Bösch/Achim Meerkamp (Hrsg.): Grenzenlos vernetzt? Gewerkschaftliche Positionen zur Netzpolitik, VSA-Verlag, Hamburg, 208 Seiten, 14,80 Euro, ISBN 978-3899654882″

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