Citystreifen und Bürgerrechte

Schuetze/ Mai 14, 2022/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD), private Sicherheitsdienste/ 4 comments

Am 26. März 2022 berichtete die Leonberger Kreiszeitung, dass die Stadt Heimsheim aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses eine City-Streife bekommt. Was sich amtlich liest, ist nichts anderes als der Vertrag mit dem privaten Sicherheitsunternehmen DSS Security aufgrund eines offenbar überforderten Gemeindevollzugsbediensteten, der nämlich neben Heimsheim auch für die Nachbargemeinden Mönsheim und Wurmberg und damit für 10500 Einwohner*innen zuständig ist. Während der regulären Arbeitszeiten soll er den ruhenden Verkehr, die Nutzung von Feldwegen überwachen, bei illegalen Müllablagerungen ermitteln, bei Lärmbelästigungen und bei Verschmutzungen öffentlicher Flächen einschreiten. Das führte im vergangenen Jahr alleine in Heimsheim zu 1500 Ordnungswidrigkeiten.

Im Gemeinderat von Heimsheim sind von den etablierten Parteien lediglich die CDU mit drei Sitzen und die SPD mit zwei Sitzen vertreten. Ansonsten regieren die ‚Bürger für Heimsheim‘ mit vier Sitzen, die Freie Wählervereinigung mit drei Sitzen, die ‚Frauen für Heimsheim‘ mit einem Sitz und die Unabhängige Wählervereinigung ebenfalls mit einem Sitz. Die Zusammensetzung des Stadtrats in Heimsheim zeigt, dass die Bürger*innen offenbar eine eigene Vorstellung vom Regieren ihrer Stadt haben.

Heimsheim und Mönsheim belastet das gemeinsame Problem der feiernden Jugendlichen. Neben dem Lärm sind die Müllhinterlassenschaften der Jugendlichen problematisch, weshalb Mönsheim den privaten Sicherheitsdienst beauftragte und Heimsheim nun nachzog. Die Gemeinde wird es jährlich 12500 Euro kosten, dass der Sicherheitsdienst für zunächst ein Jahr an Brennpunkten von April bis Oktober dreimal wöchentlich und von November bis März zweimal wöchentlich mit jeweils einem variablen Tag im Einsatz ist.

Dass es dem Gemeinderat dabei weniger um eine soziale Betreuung der Jugendlichen geht, zeigen die umfangreichen Befugnisse für die Citystreife. So soll die Citystreife die Personalien kontrollieren, Platzverweise erteilen, Ordnungswidrigkeiten und Übergriffe ahnden sowie den Alkoholkonsum von Jugendlichen eindämmen. Dass es sich dabei um hoheitliche Aufgaben handelt, die auf private Dienstleister nicht übertragen werden dürfen, wie das Oberlandesgericht Frankfurt am 3. Januar 2020 entschied, ist den Verantwortlichen offenbar nicht bewusst. In dem Zusammenhang verwundert auch, dass weder die Datenschutzbeauftragten noch die Kommunalaufsicht Bedenken gegen das widerrechtliche Vorgehen der Gemeinden haben. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob der repressive Umgang mit Jugendlichen tatsächlich zielführend ist.

Aufgrund einer Anfrage an die Stadt Heimsheim antwortete die Hauptamtsleiterin: „Die Stadt Heimsheim hat keine hoheitlichen Befugnisse an die beauftragte Sicherheitsfirma übertragen.“ Aus der Beschlussvorlage des Gemeinderats vom 14.03.2022 mit der Vorlage-Nr. 14/2022 geht allerdings etwas anderes hervor. Demnach soll der private Sicherheitsdienst ergänzend mit dem Ordnungsamt und der Polizei zusammenarbeiten und „durch die übertragenen Befugnisse dürfen sie auch Personalien überprüfen oder Platzverweise aussprechen und können so Ordnungswidrigkeiten und Übergriffe umgehend und effektiv ahnden“. Damit übernimmt der private Sicherheitsdienstleister eindeutig hoheitliche Aufgaben.

Und was passiert mit den persönlichen Daten Betroffener, die eine City-Streife aufnimmt? Wer kontrolliert den Umgang mit diesen Daten und wer überprüft etwaige Löschungsfristen? Platzverweise durch Citystreifen sind unrechtmäßig. Was passiert, wenn Betroffene dem Platzverweis nicht nachkommen? Wird die Polizei hinzugezogen, damit sie das Unrecht vervollständigt? Der Einsatz privater Citystreifen ist lediglich im sogenannten Jedermannsrecht geregelt. Wer aber im öffentlichen Raum Grundrechte einschränken darf, bedarf einer gesetzlichen Grundlage ähnlich den Polizeigesetzen und die haben private Sicherheitsdienste nicht.

Die Nachbargemeinden Wimsheim und Tiefenbronn gehen einen besseren Weg, denn private Sicherheitsdienste gehören nicht in den öffentlichen Raum. Die Gemeinden schaffen einen gemeinsamen Gemeindevollzugsdienst, der aufgrund der rechtlichen Möglichkeiten effektiver als eine private City-Streife einschreiten kann. 55.0000 Euro wird das die beiden Gemeinden kosten plus die Kosten für ein Mietfahrzeug.

Durch den Einsatz privater Sicherheitsdienste wollen die Gemeinden Geld sparen und vergessen dabei, dass sie einen Niedriglohnsektor unterstützen, in dem nicht gut ausgebildete Fachkräfte zum Einsatz kommen sondern schlecht bezahlte Hilfskräfte, die lediglich vordergründig den öffentlichen Frieden aufrechterhalten.

Der Schaden durch deren unrechtmäßigen Einsatz ist letztendlich größer als der Nutzen. Durch den Einsatz privater Sicherheitsdienste in der Öffentlichkeit wird das Vertrauen in staatliche Institutionen weiter herabgesetzt, denn die Citystreife wird nicht als privater Dienstleister sondern als Teil des Staates wahrgenommen und das gilt es zu verhindern.

In den Kommunen und bei deren Bürger*innen herrscht dagegen Zufriedenheit mit der Arbeit der Citystreifen. Die Probleme seien verringert und das subjektive Sicherheitsgefühl erhöht worden. Das liegt vermutlich auch daran, dass Citystreifen durch ihre Uniformen, die den Polizeiuniformen nicht unähnlich sind einen offiziellen und seriösen Anstrich verleihen. Selbst deren Fahrzeuge sind im Polizeidesign unterwegs. Die eingesetzten Sicherheitsfirmen betonen immer wieder, dass ihr Einsatz sich im Rahmen geltender Gesetze bewegt und die Mitarbeiter*innen regelmäßig geschult würden. Auch die Polizei zeigt sich mit der Zusammenarbeit zufrieden, wovon die vielfachen Kooperationsverträge aus der Vergangenheit zeugen.

Sobald die Citystreife ihren Einsatzbereich aufsucht, meldet sie sich bei der zuständigen Polizeidienststelle an und ab. Über relevante Geschehnisse tauscht man sich aus und die Polizei setzt die Streifen sogar zur Überprüfung von Ruhestörungen oder anderen kleinen Belästigungen ein. Einzig die Betroffenen selbst sind mit dem Einsatz der Citystreifen unzufrieden. Oftmals lassen sich die Jugendlichen von den privaten Ordnungshütern nichts sagen. Der Widerstand findet meist nur vor Ort statt und mündet in den seltensten Fällen in Beschwerden oder gar Strafanzeigen.

Das Public Private Partnership (ppp) wird wohl nicht mehr zurück zu drängen sein. In Österreich und der Schweiz ist die Zusammenarbeit noch intensiver als in Deutschland, auch wenn es in unseren Nachbarländern immer wieder Beschwerden gegen deren Vorgehen gab.

2010 bemängelte die Polizei in Hessen noch den Einsatz privater Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum, weil bereits Streifengänge eine hoheitliche Aufgabe darstellten, die einer rechtlichen Grundlage bedürften. Von dieser Kritik ist heute nichts mehr zu hören.

Vielleicht könnten sich die Gemeinden die Citystreifen sparen, wenn sie für angemessene Jugendtreffs sorgen würden. Doch dieser Prozess findet nicht, gar nicht oder nur so schleppend statt wie im Wiesbadener Künstlerviertel. Dort sollte ein Jugendtreff bereits im Juni 2019 nutzbar sein. Bislang waren dort noch keine Jugendlichen zu sehen.

von Jürgen Korell und Thomas Brunst

Bezugsquelle:
City-Streife Heimsheim/ Stadt bekommt private Ordnungshüter (Leonberger Kreiszeitung, 26.03.22)
https://www.leonberger-kreiszeitung.de/inhalt.city-streife-heimsheim-stadt-bekommt-private-ordnungshueter.610b85e6-c488-4eba-971b-fc6ef51d61b8.html

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4 Comments

  1. Die Initiative Frag den Staat möchte den Vertrag zwischen DSS Security und der Stadt Heimsheim einsehen.

    https://fragdenstaat.de/anfrage/vertrag-mit-dss-security/

  2. Ein Blick zur Nachbargemeinde nach Mühlacker zeigt wie selbstverständlich innerhalb von public private security im Enzkreis agiert wird:

    „(…) Anschließend wird der Parkplatz vor dem Bahnhof in Mühlacker angefahren. Dies sei ein Platz, an dem sich häufig Jugendliche treffen und zusammensitzen. Wir treffen eine Gruppe von 5 Personen an, die zusammensitzen, reden und Alkohol konsumieren. Die Citystreife spricht auch diese Gruppe mit „Du“ an und unterhält sich eher auf freundschaftlicher Basis mit ihnen. Sie werden nach ihren Ausweisen befragt, welche sie der Citystreife auch zeigen. Einer von ihnen ist erst 17, hat jedoch den Ausweis nicht dabei. Der Rest der Gruppe ist bereits 18. Mitarbeiter 2 klärt die Jugendlichen auf, dass der von der Gruppe mitgeführte Schnaps nur von den über 18-Jährigen konsumiert werden darf. Er nimmt zudem auch die Personalien eines Volljährigen auf und überträgt diesem gleichzeitig die Verantwortung, dass der 17- Jährige keinen Schnaps bekommt. Er weist ihn darauf hin, dass im Falle sollte etwas passieren, ansonsten er belangt wird. Zudem wird auf die Beseitigung des Mülles hingewiesen und alles fotografisch dokumentiert. (…)“

    Danach wurde die Eisenbahnbrücke in Mühlacker angefahren, eine etwa 4 Meter breite Fußgängerbrücke, die über die Schienen führt. Auch hier wurden zwei Jugendliche angetroffen, die Schnaps dabei hatten.
    Als diese die Citystreife kommen sahen, holten sie schon ohne Aufforderung die Ausweise hervor. Wieder wurde die Gruppe von der Citystreife mit „Du“ angesprochen. Während Mitarbeiter 2 die Daten der zwei Personen aufnahm, unterhielt sich Mitarbeiter 1 mit den zweien und scherzte, warum hier heute so wenig los sei, ob dies an den Ferien liege. Die beiden meinten, dass viele Ihrer Freunde zum Seenachtsfest nach Konstanz gegangen seien. Der Mitarbeiter unterhielt sich noch ein wenig locker mit den Jugendlichen, bis der Kollege die Daten vollends aufgenommen hat. (…)“
     
    https://opus-hslb.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/400/file/Anlagen+1-11.pdf

  3. Julius Stiebert
    09.06.2022
    Irland will Gesichtserkennung einsetzen

    In Irland soll eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Gesichtserkennung durch die Polizei geschaffen werden. Experten warnen vor Massenüberwachung.
    https://posteo.de/news/irland-will-gesichtserkennung-einsetzen

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