Bundesgerichtshof: Cookies zu Werbezwecken dürfen nur mit aktiver Einwilligung der Nutzer*innen gesetzt werden

Datenschutzrheinmain/ Mai 28, 2020/ alle Beiträge, EU-Datenschutz, Verbraucherdatenschutz/ 1Kommentare

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 28.05.2020 entschieden, dass Unternehmen, die auf ihrer Webseite Cookies zur Auswertung des Surf- und Nutzungsverhaltens ihrer Kunden einsetzen, dafür eine aktive Zustimmung der Nutzer brauchen und eine bereits vorangekreuzte Einverständniserklärung dafür nicht ausreicht.

Der BGH teilt am 28.05.2020 mit:

  • Sachverhalt: Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Beklagte veranstaltete im September 2013 unter ihrer Internetadresse ein Gewinnspiel. Nach Eingabe der Postleitzahl gelangte der Nutzer auf eine Seite, auf der Name und Anschrift des Nutzers einzutragen waren. Unter den Eingabefeldern für die Adresse befanden sich zwei mit Ankreuzfeldern versehene Einverständniserklärungen. Mit Bestätigen des ersten Textes, dessen Ankreuzfeld nicht mit einem voreingestellten Häkchen versehen war, sollte das Einverständnis mit einer Werbung durch Sponsoren und Kooperationspartner der Beklagten per Post, Telefon, E-Mail oder SMS erklärt werden. Dabei bestand die Möglichkeit, die werbenden Sponsoren und Kooperationspartner aus einer verlinkten Liste von 57 Unternehmen selbst auszuwählen. Andernfalls sollte die Beklagte diese Auswahl treffen. Das zweite Ankreuzfeld war mit einem voreingestellten Häkchen versehen und wies folgenden Text auf: ‚Ich bin einverstanden, dass der Webanalysedienst Remintrex bei mir eingesetzt wird. Das hat zur Folge, dass der Gewinnspielveranstalter, die [Beklagte], nach Registrierung für das Gewinnspiel Cookies setzt, welches [der Beklagten] eine Auswertung meines Surf- und Nutzungsverhaltens auf Websites von Werbepartnern und damit interessengerichtete Werbung durch Remintrex ermöglicht. Die Cookies kann ich jederzeit wieder löschen…“
  • Eine Einwilligung wird ‚in Kenntnis der Sachlage‘… wenn der Verbraucher weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstellt und worauf sie sich bezieht. Die Einwilligung erfolgt im Sinne dieser Vorschrift ‚für den konkreten Fall‘, wenn klar wird, die Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmen sie konkret erfasst. Daran fehlt es im Streitfall, weil die beanstandete Gestaltung der Einwilligungserklärung darauf angelegt ist, den Verbraucher mit einem aufwendigen Verfahren der Auswahl von in der Liste aufgeführten Partnerunternehmen zu konfrontieren, um ihn zu veranlassen, von dieser Auswahl abzusehen und stattdessen der Beklagten die Wahl der Werbepartner zu überlassen. Weiß der Verbraucher mangels Kenntnisnahme vom Inhalt der Liste und ohne Ausübung des Wahlrechts nicht, die Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmer die Einwilligung erfasst, liegt keine Einwilligung für den konkreten Fall vor. Aus diesen Gründen fehlt es auch an einer Einwilligung ‚für den bestimmten Fall‘…“
  • Hinsichtlich der Einwilligung in die Speicherung von Cookies steht dem Kläger gleichfalls ein Unterlassungsanspruch… zu. Die von der Beklagten in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vorgesehene Einwilligung des Nutzers, die den Abruf von auf seinem Endgerät gespeicherten Informationen mithilfe von Cookies im Wege eines voreingestellten Ankreuzkästchens gestattet, stellt… eine unangemessene Benachteiligung des Nutzers dar.“

Das Urteil des BGH (Aktenzeichen: I ZR 7/16) ist noch nicht im Wortlaut veröffentlicht.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), kommentiert dieses Urteil wie folgt: Für Verbraucherinnen und Verbrauchern und ihre Privatsphäre ist das ein gutes Urteil. Es gibt Internetnutzern wieder mehr Entscheidungshoheit und Transparenz. Bisher war es hierzulande leider gängige Praxis, dass Webseitenanbieter die Interessen und Verhaltensweisen der Nutzer so lange nachverfolgen, analysieren und für ihre Gewinnabsichten vermarkten, bis diese aktiv widersprechen. Das ist nun nicht mehr möglich. Will ein Webseitenbetreiber seine Nutzer durchleuchten, muss er sie zuvor nun zumindest um Erlaubnis bitten. Diese Klarstellung war lange überfällig. Nun muss die EU dafür sorgen, dass es bei der aktuell verhandelten europäischen ePrivacy-Verordnung zu keiner Abschwächung dieser strengen Regelungen kommt. Den Vorschlag der Kroatischen Ratspräsidentschaft, das Nutzer-Tracking künftig auf der Rechtsgrundlage einer Interessenabwägung zu erlauben, lehnen wir ab. Die Endgeräte der Verbraucher ermöglichen einen tiefen Einblick in komplexe emotionale, politische und soziale Aspekte einer Person. Diese Privatsphäre zu schützen, ist ein hohes Gut. Wir fordern deshalb enge und klare Regeln für Nutzer-Tracking zu Werbezwecken. Dies darf nur mit Einwilligung oder unter im Gesetz definierten, strengen Voraussetzungen erlaubt werden.

1 Kommentar

  1. Aktuelle Anfrage eines RA an das Justizministerium bei fragdenstaat.de

    Von: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
    Betreff Ihre E-Mail vom 4. Mai 2020 – Prüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit behördlicher Social-Media Auftritte [#185950]
    Datum 4. Juni 2020 11:25

    Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
    Z B 6 – zu: 1451/6II – Z3 307/2020

    Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt von Engelbrechten-Ilow,

    zu Ihrem Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vom 4. Mai 2020 teile ich Ihnen Folgendes mit:

    Inwiefern die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts Auswirkungen auf das Engagement des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in den Sozialen Netzwerken haben werden, befindet sich in einer laufenden Prüfung, deren Ergebnis von den Gesprächen des Bundespresseamtes (BPA) mit Facebook über eine neue Vereinbarung zur Datenverarbeitung bei Fanpages abhängt.

    Die Federführung für diese Gespräche liegt innerhalb der Bundesregierung beim BPA.

    https://fragdenstaat.de/anfrage/prufung-der-datenschutzrechtlichen-zulassigkeit-behordlicher-social-media-auftritte/

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