Auf Vorschlag der CDU: Gemeindevertretung von Linsengericht fordert Ausbau der Videoüberwachung in der benachbarten Stadt Gelnhausen
Mit immer neuen Varianten versuchen Kommunalpolitiker der CDU, die Pläne ihres Bundesinnenministers Thomas de Maizière zum flächendeckenden Ausbau der Videoüberwachung durch eigene Forderungen lokal zu unterstützen. In Linsengericht, einer Gemeinde am Nordrand des Spessart im Main-Kinzig-Kreis, hat die Gemeindevertretung auf Betreiben der CDU-Fraktion und mit Unterstützung der doppelt so starken SPD-Fraktion vor wenigen Tagen den Ausbau der Videoüberwachung in der benachbarten Stadt Gelnhausen gefordert.
Das Gelnhäuser Tageblatt informiert dazu am 06.02.2017: „Überwacht werden soll laut Vorschlag der CDU der Bereich des Gelnhäuser Bahnhofes in der Lagerhausstraße sowie die Fußgängerunterführung am ehemaligen Bahnübergang und das Umfeld des restlichen Bahnhofsbereiches. Dieser grenzt direkt an Altenhaßlau und die CDU sieht gerade hier bezüglich der Unterführung dringend Handlungsbedarf. Trotz Ausleuchtung von Laternen, fühlen sich die Bürger aus Sicht der CDU in diesem Bereich unwohl. Dies werde auch deutlich, wenn man in das angrenzende Industriegebiet laufe, in dem am Wochenende und auch nachts kaum jemand anzutreffen sei, sind sich die Anwesenden sicher. In der Linsengerichter Gemeindevertretersitzung wurde von den Fraktionen der CDU, der SPD und auch der BGL für diesen Antrag gestimmt. Einzig die Grünen stimmten dagegen, was auf großes Unverständnis seitens der CDU stieß. Nun soll der Linsengerichter Gemeindevorstand um Bürgermeister Albert Ungermann (SPD) mit dem Magistrat der Stadt Gelnhausen Verhandlungen aufnehmen, da es sich bei dieser Angelegenheit um ein interkommunales Projekt zwischen Gelnhausen und Linsengericht handele…“
Dem interessierten Leser dieser Meldung stellen sich einige Fragen:
- Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass es in den genannten Bereichen in Gelnhausen ein erhöhtes Aufkommen von Drogen- und Kleinkriminalität, Diebstählen und Raubüberfällen gibt – also örtlich präzise abgrenzbare Kriminalitätsschwerpunkte?
- Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass andere Mittel der Gewaltprävention und der Aufklärung von Straftaten an den genannten Stellen nicht zur Verfügung stehen oder nicht geeignet sind, das gewünschte Ziel zu erreichen?
- Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass die Videoüberwachung der genannten Stellen ggf. vorhandene Kriminalitätsprobleme objektiv reduzieren kann?
- Oder stützen sich die Forderungen der Lokalpolitiker in Linsengericht lediglich auf das „Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger, gerade auch wegen der vielen Vorfälle von Gewalttaten und Verbrechen in den letzten Monaten“?
- Sollte letzteres der Fall sein sei zudem die Frage gestattet: Sind die „vielen Vorfälle von Gewalttaten und Verbrechen in den letzten Monaten“ im Vergleich zu den Vorjahren tatsächlich gestiegen? Oder wird hier lediglich auf der Grundlage einer <gefühlten Bedrohungslage> argumentiert?
Diese Fragen sollten die GemeindevertreterInnen von CDU und SPD in Linsengericht beantworten, bevor sie auf einem Ausbau der Videoüberwachung in der benachbarten Stadt Gelnhausen beharren.
Der terroristische Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin war mehr als nur tragisch. Den Opfern des Anschlags und ihren Familienangehörigen gegenüber Mitgefühl zu äußern, Solidarität zu üben und ihnen Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen des Anschlags zu gewähren ist richtig und notwendig. Als Beleg für die Sinnhaftigkeit von Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist der Anschlag ungeeignet. Der Anschlag selbst und seine Vorgeschichte ist eher ein Beleg dafür, dass
- Videoüberwachung das Geschehen nicht verhindert hätte und
- Polizei und Geheimdienste des Bundes und mehrerer Bundesländer im Vorfeld des Anschlags ihre <Hausaufgaben> nicht oder nicht gut genug gemacht haben oder gar als Geheimdienste <Quellenschutz> höher bewertet haben als den Schutz der Bevölkerung vor Anschlägen.