Deutscher Ärztetag 2016 stellt fest: Beitragsgelder der gesetzlichen Krankenversicherten in die medizinische Behandlung investieren – Milliardenausgaben für das Projekt Elektronische Gesundheitskarte sind nicht sachgerecht
In einer Entschließung hat der 119. Deutsche Ärztetag (24. – 27.05.2016 in Hamburg) eine Überprüfung des Projekts Elektronische Gesundheitskarte gefordert. Die Entschließung hast folgenden Wortlaut:
„Nach 14-jähriger Planungszeit sind nach Informationen des IKK-Bundesverbandes in das Projekt ‚Elektronische Gesundheitskarte‘ allein auf der Ebene der gesetzlichen Krankenkassen mehr als 1,4 Mrd. Euro geflossen. Weitere Institutionen hatten hohe Kosten, dazu kommen erhebliche Steuerausgaben. Bis heute ist dem Gesundheitswesen, den Patienten und Ärzten kein erkennbarer Nutzen entstanden. Der 119. Deutsche Ärztetag 2016 fordert das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf, für einen sachgerechten Einsatz der Versichertengelder zu sorgen und deshalb kurzfristig zunächst eine neue Kosten-Nutzen-Analyse in Auftrag zu geben. Unnötige Milliardenausgaben für dieses Großprojekt müssen beendet werden.“
In der Antragsbegründung wird festgestellt: „Die letzte und bisher einzige Kosten-Nutzen-Analyse der Firma Booz Allen Hamilton im Auftrag der Gematik wurde 2006 erstellt und kam schon damals zu eher negativen Ergebnissen. Eine neue Kosten-Nutzen-Analyse auch im Kontext des E-Health-Gesetzes (eHealthG) 2016 ist seither nicht erstellt worden. Bis 2017 müssen aus Sicherheitsgründen alle Generation-1-Karten ausgetauscht werden. Kostenpunkt: geschätzte 350 Mio. Euro. Die Kartenlesegeräte in Praxen und Kliniken müssen zum großen Teil entgegen früherer Versprechungen der Gematik ausgetauscht und Konnektoren angeschafft werden, von denen bis dato nicht einmal Prototypen zur Verfügung stehen. Die vorgeschriebenen sechsmonatigen Tests haben bis heute nicht stattgefunden. Die Geschichte des staatlichen Großprojektes imponiert weiterhin durch ständige Verzögerungen, Misserfolge und fehlinvestierte Versichertengelder in Milliardenhöhe.“
Quelle: Beschlussprotokoll des 119. Deutschen Ärztetags, dort S. 243 f.
In einer weiteren Entschließung unter dem Titel „Datenschutz und sichere Identität sind unabdingbare Voraussetzungen für die elektronische Kommunikation im Gesundheitswesen“ stellt der Dt. Ärztetag fest: „Bei der Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarten (eGK) ist von den gesetzlichen Krankenkassen versäumt worden zu überprüfen, ob ein eingesandtes Foto und die persönlichen Daten des Versicherten tatsächlich übereinstimmen. Für jede sichere elektronische Kommunikation ist jedoch der Nachweis einer sicheren digitalen Identität durch die ausgebende Stelle unabdingbare Voraussetzung… Der 119. Deutsche Ärztetag 2016 fordert das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf, zusammen mit dem Bundesversicherungsamt (BVA), dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundesbeauftragten für den Datenschutz für die Realisierung einer sicheren Identitätsprüfung bei der Ausgabe der nächsten Kartengeneration durch die ausgebenden Stellen vor Realisierung der ersten Online-Anwendung zu sorgen.“
In der Antragsbegründung wird festgestellt: „Über Jahre hinweg sind mehrfach Verstöße gegen den Datenschutz bei gesetzlichen Krankenkassen von Journalisten aufgedeckt worden. In diesem Zusammenhang hat das BVA kürzlich in einer schriftlichen Stellungnahme ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei der eGK um einen Identitätsnachweis handelt und die gesetzlichen Kassen verpflichtet seien, hier Datensicherheit herzustellen. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte 2013 in einer gutachterlichen Stellungnahme gerügt, dass die Krankenkassen bei der Ausgabe der Gesundheitskarte nicht prüften, ob Foto und persönliche Stammdaten des Versicherten übereinstimmten…“
Quelle: Beschlussprotokoll des 119. Deutschen Ärztetags, dort S. 245 f.