Jetzt auch Bodycams für die Frankfurter Stadtpolizei?
Mit Antrag vom 11.12.2024 (NR 1073) forderte die CDU-Fraktion im Frankfurter Stadtparlament, „die Stadtpolizei mit Bodycams auszustatten“. Die CDU möchte damit eine weitere Überwachungsmöglichkeit nutzen, die durch das Gesetz zur Modernisierung des Polizeirechts erst am Tag danach, am 12.12.2024, vom Hessischen Landtag eröffnet wurde. Die Römerkoalition hatte mit ihrer Mehrheit die Entscheidung in der Stadtverordnetenversammlung verschoben, ehe sie am 27.02.2025 den CDU-Antrag „dem Magistrat zur Prüfung und Berichterstattung“ vorlegte.
Und der Magistrat liefert, was die CDU fordert:
- Mit Bericht des Magistrats vom 12.05.2025 (B 169) wurde erklärt: „Mit der Novellierung des Hessischen Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) sind nun auch Gefahrenabwehrbehörden gemäß § 14 Abs. 6 HSOG befugt, Körperkameras (Body-Cams) kurzfristig zur Bild- und Tonaufzeichnung einzusetzen… Die Stadtpolizei verfolgt das Ziel, dieses Einsatzmittel schnellstmöglich ihren Einsatzkräften bereitzustellen… Derzeit wird durch die Stadtpolizei eine Marktrecherche durchgeführt, um zu evaluieren, welches System für die vorgesehene Nutzung am besten geeignet ist.“
- Und mit Bericht des Magistrats vom 26.09.2025 (B 372) wird den Stadtverordneten mitgeteilt: „Die Stadtpolizei verfolgt das Ziel dieses Einsatzmittel schnellstmöglich ihren Einsatzkräften bereitzustellen. Es wurde hierfür eine entsprechende Marktrecherche durchgeführt… Es wird favorisiert mit einem Testbestand von 20 Kamerageräten zunächst die uniformierten Dienstgruppen teilauszustatten und diesen Bestand im Falle positiver Erfahrungen sukzessive zu erweitern und dann in einem Kauf zu übernehmen. Die voraussichtlichen Einführungskosten für den o. g. Anfangsbestand bewegen sich hierbei je nach Anbieter zwischen ca. 20.000 Euro und 35.000 Euro… Nachfolgend ist derzeit ein entsprechendes Vergabeverfahren anhängig und ein erforderliches Leistungsverzeichnis in Abstimmung zwischen der Fachabteilung, dem Vergabe- und IT-Bereich. In diesem Zusammenhang ist beabsichtigt, dass die Ausschreibung im Zeitraum September/Oktober erfolgt… Parallel werden bereits jetzt die durch die Anbieter genannten technischen Voraussetzungen zur Integration der Kameras in die städtische IT-Infrastruktur, eine Speicherlösung und eine adäquate Ladeinfrastruktur vorbereitet…“
Was nutzen Bodycams? Und wem?
Am 08.08.2022 fielen tödliche Polizeischüsse auf einen 16-jährigen Jugendlichen in Dortmund. Das Dortmunder Internet-Magazin Nordstadt Blogger informierte am 09.08.2022: „Elf größtenteils junge Beamt:innen trafen 15 Minuten später auf dem Kirchengelände ein. Die Kontaktaufnahme zu dem jungen Mann erwies sich als schwierig, da dieser aus dem Senegal kam und nur über schlechte Deutschkenntnisse verfügte. Was genau passiert, ist bisher völlig unklar. Keine Hilfe sind die Körperkameras (‚Bodycams‘), mit denen die Beamt:innen ausgestattet waren – sie waren ausgeschaltet. Bestätigt ist jedoch, dass nach dem Einsatz von Pfefferspray und auch Elektrodistanzwaffen („Tasern“) sechs Schüsse aus einer Maschinenpistole der Dortmunder Polizei fielen. Fünf dieser Schüsse trafen den Jugendlichen in Schulter, Unterarm, Kiefer und Bauch…“ Das wirft die Frage auf:
Wozu braucht die Polizei Bodycams, wenn sie mindestens vor Schusswaffengebrauch nicht zu Beweiszwecken aktiviert werden (müssen)?
Mit dieser Frage hat sich der Kriminologe Thomas Feltes befasst. In einem Interview mit dem MDR im November 2022 wird Feltes gefragt: „Bodycams wurden in den USA nach jahrelangen Forderungen von Bürgerrechtsbewegungen eingeführt, um vor allem Nichtweiße vor teils massiver Polizeigewalt zu schützen. Welche Rolle spielte der Gedanke bei der Einführung von Bodycams für die Polizei in Deutschland?“ Seine Antwort: „Keine. Oder anders formuliert: Man hat erkannt, dass Bodycams zur Kontrolle polizeilichen Handelns genutzt werden können und das wollte man nicht. Man hat einen faulen Kompromiss gefunden: Bodycams ja, aber nur aus ‚präventiven Gründen‘. Das heißt, um Gewalt gegen Polizisten zu verhindern, nicht umgekehrt. Auf die Idee, dass man auch exzessive Polizeigewalt präventiv verhindern könnte, kam man nicht.“
Und zur Frage „Wenn die Polizei hierzulande die Hoheit darüber behält, wann und ob ihre Bodycams eingeschaltet werden, um möglicherweise zu verhindern, dass das Material auch gegen sie selbst verwendet werden kann – ist die Einführung in Deutschland aus rechtsstaatlicher Sicht gescheitert?“ antwortet er: „Ja, wobei das Scheitern absehbar und gewollt war, weil die Bodycam nur präventiv eingesetzt werden darf. Politiker aller Parteien wollten sich nicht gegen die Lobby der Polizeigewerkschaften durchsetzen und die Bodycam generell zur Dokumentation polizeilicher Maßnahmen vorsehen. Ein Armutszeugnis, weil damit auch der Polizei selbst ein Mittel genommen wird, ihr Handeln zu dokumentieren und zu rechtfertigen.“
Auch in Frankfurt gab es im Jahr 2020 einen Vorfall, bei dem eine Bodycam dazu hätte beitragen können, mögliches Fehlverhalten von Polizisten aufzuklären. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldete am 20.08.2020: „Eine Bodycam der Polizei hätte den Einsatz im Frankfurter Stadtteil Alt-Sachsenhausen filmen können, bei dem Beamte einen Mann getreten haben sollen. Nur fehlte dem Akku der Kamera der notwendige Strom, wie die Polizei sagt.“ Zwei Stadtverordnete stellten dazu Fragen an den Magistrat: Falko Görres und Herbert Förster.
- Falko Görres erhielt die nichtssagende Auskunft: „Gemäß Auskunft des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main werden bezüglich technischer Details von polizeilichen Führungs- und Einsatzmitteln grundsätzlich keine Auskünfte erteilt. Jedoch werden die Erfahrungen aus vergangenen Einsätzen für die technische Weiterentwicklung von Führungs- und Einsatzmitteln genutzt, auch um zukünftig mögliche Akkuprobleme bei der Nutzung von Bodycams zu verhindern.“
- Die Auskunft, die Herbert Förster erhielt, war noch kürzer und nichtssagender: „Aus aktuell laufenden Ermittlungsverfahren werden grundsätzlich keine Auskünfte erteilt.“
Ob der Magistrat künftig bei Nachfragen zur Nutzung von Bodycams durch die Stadtpolizei auskunftsfreudiger sein wird?