Wehrheim im Taunus und die Informationsfreiheit: Ein Trauerspiel oder eine Posse?
Mit der Novellierung des Hessischen Datenschutzgesetzes wurde im Mai 2018 erstmals für Hessen in den §§ 80 – 89 HDSIG auch ein Informationsfreiheitsgesetz geschaffen. Mit wesentlichen Mängeln! Einer der wichtigsten: Ausgenommen vom Geltungsbereich des HDSIG sind u. a. die kommunalen Gebietskörperschaften, es sei denn, sie beschließen durch eigene Rechtssetzung eine kommunale Informationsfreiheitssatzung (§ 81 Abs. 1 Ziff. 7 HDSIG). Nicht nur aus diesem Grund gilt das HDSIG als das schlechteste Informationsfreiheitsgesetz in Deutschland.
Mit der Schaffung von kommunalen Informationsfreiheitssatzungen in allen hessischen Gemeinden, Städten, Landkreisen, kommunalen Zweckverbänden, kommunalen Anstalten und Stiftungen öffentlichen Rechts würde eine bestehende Lücke im demokratischen Aufbau von Staat und Verwaltung geschlossen. Denn die von kommunalen Entscheidungen und Handlungen betroffenen Menschen hätten dann bessere Möglichkeiten, sich zu informieren, Diskussions- und Entscheidungsprozesse der kommunalen Verwaltungen zu bewerten und mit Hilfe von Bürgerinitiativen und Vereinen Einfluss auf kommunale Entscheidungen zu nehmen.
Die FDP-Fraktion in der Gemeindevertretung in Wehrheim (Hochtaunuskreis) legte im Juli 2022 einen Entwurf für eine kommunale Informationsfreiheitssatzung vor, die auch einzelne Elemente aus der von der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main entwickelten Mustersatzung aufgreift.
Auf Nachfrage des Wehrheimer Gemeindevorstands erklärte der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) in einer Stellungnahme vom 08.09.2022 zum Thema kommunale Informationsfreiheitssatzungen: “…dass wir… vom Erlass einer entsprechenden Satzung grundsätzlich dringend abraten… dass vermeintliche Transparenz an sich keinen Wert darstellt…” .
Dies scheint für die anderen Fraktionen in der Wehrheimer Gemeindevertretung die Richtschnur bei der Bewertung des FDP-Antrags zu sein. Zuletzt war der Satzungsentwurf der FDP-Fraktion im Juli 2023 – ein Jahr nach dem erstmaligen Einbringen des Antrags (!) – Gegenstand parlamentarischer Beratung. Die CDU-Fraktion machte sich dabei – unterstützt von SPD und Grünen – zur Wortführerin bei der Ablehnung des FDP-Antrags. In der Sitzungsniederschrift ist dazu festgehalten:
- „… Dem Antrag möchte die Fraktion der CDU jedoch nicht zustimmen. So sei es ungewöhnlich, dass eine scheinbar ausformulierte Satzung von einer Fraktion als Antrag eingebracht werde. In diesem Zusammenhang stelle man sich die Frage, ob die Satzung überhaupt rechtssicher sei. Die Rechtssicherheit müsste, so GV S. Sommer, geprüft werden. So gibt es keine Mustersatzung zu einer Informationsfreiheitssatzung und vorliegender Entwurf setze sich aus den bestehenden Satzungen mehrerer Städte zusammen. Einsichts- und Auskunftsrechte werden in Fachgesetzen oft mitgeregelt. GV S. Sommer weist hier auf die Offenlegungsverfahren der Bebauungspläne hin. Es sei auch geregelt, wie lang Veröffentlichungen vorgenommen und ab welchen Zeitpunkt sie ins Archiv überführt werden müssen. Der Antrag könnte auch darauf ausgerichtet sein, dass die Verwaltungen nicht transparent arbeiten. Diesen Eindruck möchte seine Fraktion hier nicht aufkommen lassen. Jede Satzung mache einer Verwaltung zunächst einmal viel Arbeit. Eine Satzung müsse umgesetzt und kontrolliert werden. Vorliegendes Regelwerk werde zusätzliche Arbeit schaffen. Die regelmäßige Veröffentlichung müssen vorgenommen werden und Bürger werden sich dann auch auf die entsprechende Satzung stützen.
- GV Fuß stimmt für die Fraktion der SPD einer rechtlichen Prüfung des vorliegenden Satzungsentwurfes zu und bittet die FDP um Umwandlung ihres Antrages in einen Prüfantrag.
- Die Fraktion Bds90/Die Grünen bittet ebenfalls um eine Umwandlung des vorliegenden Antrages in einen Prüfantrag…“
Und die Moral von der Geschichte:
- Hinhaltender Widerstand des Bürgermeisters, des Gemeindevorstands, des Hessischen Städte- und Gemeindebunds und der Fraktionen von CDU, SPD und Grünen in Wehrheim gegen Informationsfreiheit und Transparenz der öffentlichen Verwaltung verhindern jetzt bereits seit einem Jahr, dass die Bürger*innen von Wehrheim ein klein bischen mehr an demokratischer Beteiligung durch Information erhalten.
- Der FDP-Fraktion in Wehrheim ist Standhaftigkeit und Erfolg bei ihrem Begehren nach einer kommunalen Informationsfreiheitssatzung zu wünschen!