Die Digitalisierung des Gesundheitswesens; ein „Haifischbecken mit vereinzelten Tintenfischen“
Wilfried Deiß, Hausarzt in Siegen, seit vielen Jahren ein außerordentlich kritischer Begleiter der Digitalisierung des Gesundheitswesens, hat im April 2023 unter diesem Titel eine Information (nicht nur) für seine Patient*innen veröffentlicht.
Eingangs wendet sich Herr Deiß an „PatientInnen! Ihre Krankenakten – dazu gehören auch Aufzeichnungen von Psychotherapeuten – enthalten die persönlichsten und sensibelsten Informationen über Sie. In Krankenakten stehen akute und chronische körperliche und seelische Erkrankungen, nicht nur Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht, sondern auch Krebserkrankungen, Infektionen, AIDS, Hepatitis, Suchterkrankungen, Depressionen, Suizidalität, Geschlechtskrankheiten, familiäre/ berufliche Krisen, Schwangerschaftsabbrüche, häusliche Gewalt, Traumatische Erfahrungen, Genetische Erkrankungen. Daher gibt es seit Jahrtausenden die Ärztliche Schweigepflicht, das Arztgeheimnis. Es schützt Sie als Mensch und Persönlichkeit, und es ist die Basis für das Vertrauen zum Arzt und damit Voraussetzung für die Arzt-Patient-Beziehung. Der Hüter Ihrer Krankenakte ist bislang ihr Hausarzt/Hausärztin. Dort werden alle Berichte gesammelt und gesichert gelagert. Möglicherweise haben Sie Kopien zu Hause, das ist natürlich erlaubt. Der Arzt trägt hohe Verantwortung, er muss mit hohen Strafen rechnen, wenn etwas in falsche Hände gerät, zu Recht. Das ist unabhängig davon, ob die Aufzeichnungen auf Papier (heute selten) oder digital im Praxiscomputer (heute die Regel) sind.“
Um dann festzustellen: „Obwohl das Projekt ‚Digitalisierung des Gesundheitswesens‘ seit 2004 läuft, ist Ihnen folgende Frage noch nie gestellt worden, weder von Ihrer Krankenkasse noch vom Gesundheitsministerium: ‚Möchten Sie, dass in Zukunft ihre Krankenakte nicht nur bei Ärzten, sondern zusätzlich bundesweit in einer Cloud (Megaspeicher im Internet) gespeichert wird, um beispielsweise in Notfällen auf die Informationen zugreifen zu können?‘ Seit den Spahn-Gesetzen zur Digitalisierung hätte spätestens 2019 folgende Frage an Sie ergänzt werden müssen, wenn Sie der ersten Frage zugestimmt hätten: ‚Sind Sie damit einverstanden, dass die Informationen aus Ihrer Krankenakte, die in der Cloud (=sog. Telematikinfrastruktur/ besser: Deutsche KrankenAktenCloud) gespeichert sind, für die medizinische Forschung, andere Arten von Forschung und für die Gesundheitswirtschaft verwendet werden dürfen, und zwar ausdrücklich ohne Ihre aktive Zustimmung?‘. Und in baldiger Zukunft müssten Sie noch gefragt werden: ‚Sind Sie damit einverstanden, dass ohne ihre aktive Zustimmung Ihre deutsche Digitale Krankenakte in den Computernetzwerk-Verbund der Europäischen KrankenAktenCloud eingefügt wird? (= EHDS / European Health Data Space)‘“.
Auf insgesamt vier Druckseiten Informiert Herr Deiß über die Hintergründe dieser Fragen. Um dann festzustellen: „Jetzt sind Sie dran. Sie können zu einer anderen Bewertung kommen. Aber was hier steht, sollten Sie wissen…“
Lesenswert für alle gesetzlich versicherten Menschen in Deutschland!