Ein vordemokratisches Staatsverständnis: Hessischer Städte- und Gemeindebund sagt „Informationsfreiheit? Danke, Nein!“

Transparenz/ Januar 2, 2023/ alle Beiträge, Informationsfreiheit / Transparenz, Regionales/ 0 comments

Auf Nachfrage des Gemeindevorstands in Wehrheim (Hochtaunuskreis) erklärte der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) in einer Stellungnahme vom 08.09.2022 zum Thema kommunale Informationsfreiheitssatzungen: “…dass wir… vom Erlass einer entsprechenden Satzung grundsätzlich dringend abraten… dass vermeintliche Transparenz an sich keinen Wert darstellt…” Unterzeichnet war das Schreiben von einem Assessor jur | Referent.

Für die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main war dies Anlass, beim HSGB anzufragen: „Ist die genannte Positionierung zu kommunalen Informationsfreiheitssatzungen die individuelle Bewertung des Mitarbeiters, der sie verfasst hat oder macht sich das Präsidium des Hessischen Städte- und Gemeindebunds diese Stellungnahme zu eigen?

Die Antwort des Geschäftsführers des HSGB, Dr. Rauber, vom 30.12.2022 lautet: „… der HSGB lehnt eine Verpflichtung der Gemeinden zum Erlass von sog. Informationsfreiheitssatzungen ab.“

Ein vordemokratisches Staatsverständnis des HSGB

Deutlich wird dies u. a. beim Blick auf die Entwicklung von Informationsfreiheit und Transparenz in Europa.

Am 18.06.2009 wurde die Konvention No. 205 des Europarats über den Zugang zu amtlichen Dokumenten (Tromsö-Konvention) verabschiedet; am 0.12.2020 trat sie in Kraft, nachdem 10 Statten, die dem Europarat angehören, die Konvention ratifiziert hatten. Inzwischen wurde die Konvention von 13 Mitgliedsstaaten des Europarats ratifiziert und von weiteren sieben unterzeichnet.

Auf der 27. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes und der Länder (IFK) forderten diese bereits 2013 – damals noch ohne hessische Beteiligung – eine Ratifizierung der Konvention. In einer Entschließung wird eingangs festgestellt: Der freie Zugang der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland zu den Informationen der öffentlichen Stellen muss auch in Deutschland ein fester Bestandteil der verfassungsrechtlich garantierten Rechte werden. Transparenz ist eine wesentliche Grundlage für eine funktionierende freiheitlich demokratische Gesellschaft. Sie ist der Nährboden für gegenseitiges Vertrauen zwischen staatlichen Stellen und den Bürgerinnen und Bürgern. Es reicht nicht aus, dass Informationen nur auf konkreten Antrag hin herauszugeben sind. In Zukunft sollten öffentliche und private Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, verpflichtet sein, Informationen von sich aus zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise wird der Zugang zu Informationen für alle erleichtert und der Aufwand der Informationserteilung reduziert.“ Die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten fordert daher alle Beteiligten in Bund und in den Ländern u. a. auf,

  • den Anspruch auf freien Zugang zu amtlichen Informationen endlich in alle Verfassungen aufzunehmen…
  • ein einheitliches Informationsrecht zu schaffen, das die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes, des Umweltinformationsgesetzes und des Verbraucherinformationsgesetzes in einem Gesetz zusammenfasst,
  • dass das Informationsfreiheitsrecht im Sinne eines Transparenzgesetzes mit umfassenden Veröffentlichungspflichten nach den Open-Data-Grundsätzen weiterentwickelt wird…“

Die Bundesrepublik Deutschland hat die Konvention aber bislang noch nicht unterzeichnet. Die 41. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten forderte daher am 03.11.2021 – unter Beteiligung des Hessischen Informationsfreiheitsbeauftragten – in einer Entschließung die Bundesregierung auf, Tromsø-Konvention ratifizieren und einheitlichen Mindeststandard für den Zugang zu Informationen in ganz Deutschland schaffen! In dieser Entschließung wird u. a. festgestellt: Die Konvention ist insbesondere bei der Erhebung von Gebühren wesentlich bürgerfreundlicher als das deutsche Recht. Wer Transparenz und Informationsfreiheit dauerhaft verwirklichen will, muss den Zugang zu amtlichen Informationen auch völkerrechtlich garantieren. Mehr als zwölf Jahre nach Entstehung des Abkommens wird es höchste Zeit, dass Deutschland sich zu einem europaweiten Mindeststandard für den Informationszugang bekennt.“

Absolut schlechte Karten für die Informationsfreiheit in Hessen

Das hat mehrere Gründe:

  1. Wer von hessischen Behörden Einblick in Dokumente fordert, beißt oft auf Granit: Zu wenig Transparenz, zu viele Ausnahmen vom Recht auf Information. Das stellen die Verfasser*innen des Transparenzrankings 2021 fest. Im Ranking der Bundesländer mit Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetzen liegt Hessen mit seinem seit 25.05.2018 geltenden Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (§§ 80 – 89 HDSIG) weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Lediglich Bayern und Niedersachsen sind in der Bewertung noch hinter Hessen versammelt. Dort gibt es keinerlei Rechtgrundlage für Informationsfreiheit und Transparenz.
  2. Was besonders ins Gewicht fällt: In Hessen sind auf der Grundlage des § 81 Abs. 1 Ziffer 7 HDSIG alle kommunalen Gebietskörperschaften aus dem Geltungsbereich des HDSIG ausgenommen, es sei denn, sie beschließen jeweils für sich eigene kommunale Informationsfreiheitssatzungen. Von dieser Möglichkeit haben aktuell lediglich 13 Städte, Gemeinden und Landkreise Gebrauch gemacht. In Hessen gibt es es aber insgesamt nahezu 600 rechtlich selbständige kommunale Gebietskörperschaften.
  3. Mit Abstand am schlechtesten ausgestattet ist die Behörde des Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit“, wird in einer aktuellen Veröffentlichung von FragDenStaat.de zu dem bei den Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes und der Länder vorhandenen Arbeitskapazitäten festgestellt.

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