Frankfurt: Weiterentwicklung des Frankfurt-Pass sozialpolitisch wünschenswert – aber mit datenschutzrechtlichen Fragen verbunden
Auf Antrag der Koalitionsfraktionen im Römer (GRÜNE, SPD, FDP und Volt) hat die Stadtverordnetenversammlung am 09.06.2022 einen Beschluss gefasst, mit dem der Frankfurt-Pass, eine freiwillige soziale Leistung der Stadt Frankfurt, weiterentwickelt werden soll.
In der Begründung ihres Antrags stellen die Fraktionen von GRÜNE, SPD, FDP und Volt u. a. fest: „Gesellschaftliche Entwicklungen, inhaltliche Veränderungen technische Innovationen und nicht zuletzt Angebote wie das Bildungs- und Teilhabepaket haben das Umfeld des Frankfurt Passes erheblich verändert und schaffen neue Rahmenbedingungen. Deshalb ist es nötig, den Frankfurt Pass einer gründlichen Neubetrachtung zu unterziehen und für die Zukunft attraktiv zu gestalten und weiterzuentwickeln. Dabei sollen wichtige neue Aspekte Berücksichtigung finden: Die Nutzung soll frei von Diskriminierung und Stigmatisierung sein, die Zusammenführung städtischer Angebote aber auch interessierter Dritter soll möglich sein, eine zeitgemäße digitale Nutzbarkeit wird ermöglicht. Des Weiteren sollen auch private Anbieter*innen auf freiwilliger Basis die Möglichkeit erhalten, über den Frankfurt Pass Vergünstigungen anzubieten. Dies scheitert häufig an den fehlenden Informationen (bspw. Legitimierungsprozess, digitaler Ausweis, Anzahl der Frankfurt Pass-Inhaber*innen) und weniger am Willen der Anbieter*innen. Es wird geprüft, inwieweit privaten Anbieter*innen – unter Beachtung des Datenschutzes – die wesentlichen Informationen zugänglich gemacht werden können…“
Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main stellt nicht in Abrede stellen, dass die Weiterentwicklung des Frankfurt-Pass sozialpolitisch wünschenswert ist. Auch eine ergänzende Möglichkeit, den Frankfurt-Pass digital zu beantragen und dem berechtigten Personenkreis in digitaler Form zur Nutzung zur Verfügung zu stellen, erscheint grundsätzlich sinnvoll zu sein. Datenschutzrechtlich stellen sich zu diesem Vorhaben aber trotzdem einige Fragen. Sie wurden an den behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt gestellt und von diesem wie folgt beantwortet (Frage / Antwort):
„… zu Ihrer Anfrage vom 25.06.2022 haben wir das Jugend- und Sozialamt um Stellungnahme gebeten, die uns jetzt vorliegt. Deshalb können wir zu Ihrer Anfrage wie folgt Stellung nehmen.
1. Wurde von den antragstellenden Fraktionen Ihre Expertise im Vorfeld der Beschlussfassung abgefragt?
Nein
2. Wenn Ja: Haben Sie dazu eine Stellungnahme abgegeben?
./.
3. Bisher wird der Frankfurt-Pass bei einer Organisationsgliederung des Jugend- und Sozialamts beantragt. Dort müssen Antragsteller Unterlagen vorlegen, die geprüft und bearbeitet werden. Das Jugend- und Sozialamt trifft dann eine Entscheidung. Andere Ämter der Stadtverwaltung sind nach unserer Kenntnis in den Antrags- und Entscheidungsprozess nicht eingebunden. Dies könnte sich ggf. ändern wenn Leistungen wie ‚Kultur- und Freizeitticket des Kulturamts… Zuschüsse bei Kosten für Medikamente oder Verhütungsmittel, kostenfreie Beratung über Energieeinsparung direkt zu Hause‘ mit der Aushändigung eines Frankfurt-Pass ebenfalls bewilligt werden würden. Wie bewerten Sie dieses Vorhaben unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten?
Zunächst ist festzustellen, dass die Leistung ‚Frankfurt Pass‘ eine freiwillige Leistung der Stadt Frankfurt am Main ist und keine Sozialleistung iS des SGB. Im Rahmen des Antragsverfahrens werden deshalb auch keine Sozialdaten verarbeitet und Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung ist insbesondere nicht das SGB X. Dies ist unabhängig davon, dass das Jugend- und Sozialamt die Daten erhebt und verarbeitet. Das Jugend- Sozialamt wird hier nicht in seiner Funktion als Sozialleistungsträger tätig. Vielmehr greifen neben den allgemeinen Grundlagen des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO ergänzend die Regelung des HDSIG. Bei dem Beschluss der Stadtverordnungsversammlung vom 09.06.2022 handelt es sich um einen Auftrag an den Magistrat. Eine konkrete Beauftragung des Jugend- und Sozialamtes zur Prüfung oder gar Umsetzung entsprechender Neureglungen ist deshalb nicht erfolgt. Deshalb ist uns auch nicht möglich, eine konkrete datenschutzrechtliche Einschätzung abzugeben.
4. Es scheint beabsichtigt zu sein, dass andere Behörden (hier: Jobcenter Frankfurt a. M.) ebenfalls künftig berechtigt sein sollen, Anträge auf Frankfurt-Pässe zu bearbeiten. Wie bewerten Sie dieses Vorhaben unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten?
Auch hierzu können wir keine konkrete datenschutzrechtliche Einschätzung abgeben. Wie beim Jugend- und Sozialamt gehört die Ausstellung und Prüfung eines Frankfurt Passes nicht zu gesetzlichen Aufgaben des Jobcenters. Eine Übertragung solch freiwilliger Aufgaben wäre nur mit Zustimmung der gemeinsamen Einrichtung möglich. In der Vergangenheit wurde dies nach unserem Kenntnisstand abgelehnt. Da für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Antragstellung als Rechtsgrundlage nur die Einwilligung der betroffenen Person nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO in Frage kommt, müsste die antragaufnehmende Stelle eine entsprechende Einwilligung einholen und auch die Informationspflichten nach Art. 13 DS-GVO erfüllen. Das Zweckbindungsgebot im Sozialdatenschutzrecht jedenfalls lässt es nicht zu, dass – ohne Einwilligung – Sozialdaten aus dem Leistungsbezug Alg II für andere Zwecke (hier Frankfurt Pass) genutzt werden.
5. Darüber hinaus sollen ggf. auch private Dritte einbezogen werden. Genannt werden z. B. ‚Vergünstigungen bei Mitgliedschaft in Vereinen… private Anbieter*innen, die auf freiwilliger Basis eine Ermäßigung für Frankfurt Pass-Inhaber*innen gewähren‘. Wie bewerten Sie dieses Vorhaben unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten?
Bislang gewähren städtische Einrichtungen (z.B. Museen, VHS) bei Vorlage des Frankfurt Pass entsprechende Ermäßigungen. Die städtischen Einrichtungen rechnen diese Ermäßigungen (ohne konkrete personenbezogenen Daten) pauschal mit dem Jugend- und Sozialamt ab. Aber es ist bekannt, dass auch private Dienste und Einrichtungen (z.B. Tafel) bei Vorlage des Frankfurt Passes auf freiwilliger Basis Ermäßigungen geben. Es obliegt in diesen Fällen allein der Verantwortung dieser privaten Einrichtungen, ob sie das tun oder nicht. Eine Abrechnung mit dem Jugend- und Sozialamt erfolgt in diesen Fällen nicht, so dass das Jugend- und Sozialamt letztlich auch darüber keine Kenntnis hat. Unabhängig davon kann jeder Bürger frei entscheiden, ob er unter Vorlage des Frankfurt Passes eine ggf. vorgesehene Ermäßigung in Anspruch nehmen möchte oder nicht.“
Ergänzend informierte der behördliche Datenschutzbeauftragte der Stadt Frankfurt zum Thema digitale Antragstellung und erklärte: „Ein in der Vergangenheit laufendes Projekt zur digitalen Antragstellung des Frankfurt Passes wurde wieder ohne Ergebnis beendet. Noch ist unklar, ob es hierzu einen neuen Projektauftrag geben wird, zumal der Frankfurt Pass nicht Teil verpflichtenden und priorisierenden OZG-Prozesse bei der Stadtverwaltung ist. Das Referat Datenschutz und Informationssicherheit wird aber regelmäßig bei allen Digitalisierungsprozessen der Ämter und Betriebe beteiligt…“