Transparenz auf halbem Weg: Das Hessische Open-Data-Gesetz (Entwurf)

Schuetze/ August 9, 2021/ alle Beiträge, e-Government, Hessische Landespolitik, Informationsfreiheit / Transparenz/ 0 comments

Derzeit liegt in der Beratung des Hessischen Landtages der Entwurf für ein Open-Data-Gesetz. Er wurde von der Landtagsfraktion der FDP eingebracht und ergänzt das E-Government-Gesetz (E-Gov-G) aus dem Jahr 2018.

Er soll eine Regelung einbringen, die Behörden verpflichten zur öffentlichen Bereitstellung von behördlichen Informationen, die digital vorliegen. Statt über Bürgeranträge müssen die Behörden die hier betroffenen Informationen von sich aus öffentlich bereitstellen. Das ist im Vergleich zu den bisherigen Regelungen des Hessischen Informationsfreiheitsgesetzes (§§ 80 ff. HessDSIG) ein erheblicher Fortschritt in Richtung Transparenz öffentlichen Handelns in Hessen.

Und das ist es, worum es geht: Transparenz.

Nachdem Hessen jahrelang Schlusslicht war, was Transparenz und Informationsfreiheit betrifft, weil es kein Informationsfreiheitsgesetz gab, ist es seit 2018 Schlusslicht mit den §§ 80 ff. HessDSIG unter den Bundesländern, die eine vergleichbare Regelung enthalten, beim Versuch, das Ziel von Transparenz behördlichen Handles zu erreichen.
Sämtliche Fraktionen des damaligen Hessischen Landtages waren nach einer Umfrage des Bundes der Steuerzahler Landesverband Hessen unzufrieden mit den Regelungen, die 2018 neu geschaffen wurden.

Nun wird das Transparenzrecht in Hessen mit diesem Entwurf zu einem Open-Data-Gesetz erneut angegangen, ohne diesen Missstand gleichzeitig zu bereinigen.

Hier die Versäumnisse im Einzelnen:

  1. Bei dieser Gelegenheit hätte das HessDSIG um Bereitstellungspflichten der öffentlichen Verwaltung, wie in anderen Bundesländern vorhanden, ergänzt werden können.
  2. Anders als im HessDSIG werden die Kommunen in diesem Gesetzesentwurf nicht vollständig herausgenommen. Sie können, nach pflichtgemäßem Ermessen müssen sie ggf. entscheiden, ob sie digitale Informationen bereitstellen, § 4a (1) Satz 2 G-Entwurf. Alle Kommunen, die eine Homepage betreiben und dort bereits jetzt schon allgemeine Informationen zur Verfügung stellen, werden Mühe haben, ein Nicht-Befolgen dieser Bereitstellungspflichten zu rechtfertigen. Insofern geht das Open-Data Gesetz (Entwurf) mit seinen Transparenzanforderungen weit über die Regelungen des HessDSIG hinaus. Warum nicht bei dieser Gelegenheit auch das HessDSIG um den Geltungsbereich der Kommunen anpassen wie in den meisten Informationsfreiheitsgesetzen der anderen Bundesländer?
  3. Die Einrichtung eines unabhängigen behördlichen Informationsfreiheitsbeauftragten in den Behörden des Landes und der Kommunen hätte dem Thema Transparenz erheblichen Vorschub geleistet. Diese Funktion fehlt aber – noch – in beiden Regelungsbereichen.

Während das Transparenz- bzw. Informationsfreiheitsrecht eher auf die Transparenz behördlichen Handelns abzielt, soll das neue Open-Data-Gesetz den Behörden bereits vorliegende digitale Dokumente/ Informationen allen Bürgern und Organisationen, einschließlich Unternehmen, nutzbar machen.

Letztlich bewirken beide Regelungsbereiche einen Zugewinn an Transparenz. Sie bedienen sich auch der gleichen Instrumente. So müssen nämlich die gleichen Fragen beantwortet werden:

  • Wie frei ist der Zugang zu Informationen? Muss ein Antrag gestellt werden oder gilt eine (bedingungslose) Bereitstellungspflicht?
    Damit eng verknüpft ist die Frage, ob sich die Bürgerinnen und Bürger als Interessent*innen einer bestimmten Information offenbaren müssen oder ob sie anonym bereitgestellt wird.
  • Wer trägt die Kosten des Verfahrens, das zu der Verfügungstellung von Informationen führt?
  • Wie frei ist die Weiterverwendung der bereitgestellten Information?
  • Welche Behörden in Hessen trifft die Pflicht, diese Transparenzvorschriften einzuhalten?
  • Wer führt als oberste Landesbehörde die Aufsicht über die jeweilige Transparenzvorschrift?

Während sich das hessische Informationsfreiheitsrecht nach den §§ 80 ff. HessDSIG hier teilweise hohe Hürden für den Zugang zu Informationen aufbaut, reißt das Open-Data-Gesetz diese Hürden weitestgehend nieder.
Dieser unterschiedliche Umgang mit dem Thema Transparenz führt zu erheblichen Wertungs-widersprüchen im hessischen Transparenzrecht und wirft zahlreiche Fragen auf.

  1. Das HessDSIG regelt sowohl digital als auch analog gespeicherte Informationen. Kann die gleiche Information nach HessDSIG verweigert werden, wenn sie nach E-Gov-G bereitgestellt werden muss, aber dies noch aussteht?
  2. Mit dem beabsichtigten Einfügen des Open-Data-Gesetzes in das E-Gov-G liegt die oberste Aufsicht für die Umsetzung beim Hessischen Ministerium für Digitales. Während die Aufsicht für die Einhaltung der Informationsfreiheitsregelungen beim unabhängigen Hessischen Informationsfreiheitsbeauftragten liegt. Diese Splittung der Aufsicht zum gleichen Thema Transparenz ist unverständlich. Auch die Regelungen des Open-Data-G sollten der Aufsicht einer unabhängigen obersten Landesbehörde, nämlich der des Hessischen Informationsfreiheitsbeauftragten unterstellt werden, um eine unabhängige Kontrolle aller Transparenzvorschriften an zentraler Stelle zu gewährleisten. Warum ist das so nicht beabsichtigt?
  3. Ein Antrag nach dem HessDSIG (§ 85 (2) und (3)) auf Zugang zu behördlichen Informationen muss ggf. begründet oder spezifiziert werden. Die Bereitstellungspflichten nach dem Open-Data-GE (§ 4a (5)) unterliegen nicht dieser Restriktion.
  4. Durch einen Antrag nach dem HessDSIG muss die antragstellende Person in der Regel ihre Identität offen legen. Nach den Bereitstellungpflichten des Open-Data-GE ist das nicht nötig – der Zugang muss vielmehr ausdrücklich ohne Registrierung gewährt werden (§ 4a (5)).
  5. Durch einen Informationsantrag nach dem HessDSIG (§ 88) muss man mit zum Teil erheblichen Kosten rechnen. Nach den Bereitstellungpflichten des Open-Data-GE (§ 4a (5)) dürfen keine Kosten für die Interessierten anfallen.
  6. Die mögliche wirtschaftliche Weiterverwertung der Informationen ist nach dem HessDSIG (§ 82 Nr. 5) ein Versagungsgrund für den Antrag. Dies behindert übrigens die grundrechtlich besonders geschützte journalistische Tätigkeit aller Medien ganz erheblich. Nach den Bereitstellungpflichten des Open-Data-GE spielen die Weiterverwertungsmöglichkeiten keine Rolle, ja dürfen keine Rolle spielen (§ 4a (5)).

Es wird deutlich, dass die gleichen Instrumente, die zu mehr Transparenz führen sollen, in den beiden Gesetzen sehr unterschiedlich, zumeist diametral entgegensätzlich, zum Einsatz kommen. Diese Wertungswidersprüche machen das hessische Transparenzrecht eher zu einem Flickenteppich als zu einer einheitlichen und leicht handhabbaren Kodifikation von Transparenz.

 

Vergleich der Regelungen:

HessDSIG §§ 80 ff.Open-Data-Gesetz Entwurf
§§ 4a und 4b des E-Governmentgsetzes
Bürgeranträge auf Information; reines AntragsrechtBereitstellungspflicht für Landesbehörden;
Kommunen sind ganz ausgenommenBereitstellung nach pflichtgemäßem Ermessen für kommunale Behörden
Gegebenenfalls muss der Antrag begründet werden § 85 (2) und (3) HessDSIGZugang zu Informationen ohne jede Begründung, § 4a (5)
Durch den Antrag muss die antragstellende Person ihre Identität preis gebenDer Informationszugang muss ohne Registrierung gewährt werden – damit anonym für jeden, § 4a (5)
Teilweise kostenfrei;

überwiegend kostenpflichtig § 88

Durchweg kostenfrei, § 4a (5)
Wirtschaftliche Weiterverwertung ist Ablehnungsgrund § 82 Nr. 5Die Möglichkeit der wirtschaftlichen Weiterverwertung entbindet nicht von der Bereitstellungspflicht; vielmehr darf eine Weiterverwendung im Zusammenhang der Veröffentlichung nicht ausgenommen oder eingeschränkt werden, § 4a (5)
Kein behördlicher InformationsfreiheitsbeauftragterKein behördlicher Informationsfreiheitsbeauftragter

 

Von Roland Schäfer

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