20 % aller Ärzt*innen boykottieren die Telematik-Infrastruktur, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn – und will den Druck auf die Verweigerer weiter erhöhen

Gesunde_daten/ Mai 15, 2019/ alle Beiträge, Gesundheitsdatenschutz, Telematik-Infrastruktur/ 1Kommentare

„‚Mich wundert, dass 20 Prozent der Praxisinhaber offenbar lieber in Kauf nehmen, ein Prozent vom Umsatz abgezogen zu bekommen, als sich an die gesetzliche Frist vom 30. Juni zu haltenWenn sich viele verweigern, müssen wir noch einmal nachdenken, wie wir darauf reagieren‘…“ Diese Aussage von Spahn findet sich am 15.05.2019 im Deutschen Ärzteblatt

In einem aktuellen Beitrag auf der Homepage der Ärzt*innen-Initiative „Freiheit für 1%“ wird Ilka Enger, Vorsitzende der IG Med (Interessensgemeinschaft Medizin), zitiert mit der Aussage: „Es dürften deutlich mehr als 20% sein. Ich rechne eher mit 30 bis 40%, die vernünftig genug sind, sich nicht an die unsichere TI-Infrastruktur zwingen zu lassen. Und ich garantiere Herrn Spahn, dass er mit noch rigideren Zwangsmaßnahmen auch die Lust der Kollegen steigert, sich in entsprechenden Klagen mit solchen Zwangsmaßnahmen auseinanderzusetzen, denn es kann einfach nicht angehen, dass man Bürger – und auch Ärzte sind Bürger – dazu zwingt, sich entscheiden zu müssen, welches Gesetz man denn nun brechen sollte. Ich rate Herrn Spahn dringend, seine Hausaufgaben als Gematik-Mehrheitsgesellschafter zu machen und dafür zu sorgen, dass die Sicherheitslücken behoben werden, weil man ihn dann für den Datenverlust auch politisch verantwortlich machen wird. Fazit: Wir Ärzte denken ernsthaft darüber nach, ob wir unseren Vertrag mit dieser politischen Führung nicht doch kündigen müssen, um uns selbst zu schützen!“

Der Ärztenachrichtendienst meldet am 15.05.2019: “Wer seine Praxis nicht an die TI anschließt, soll laut Spahn ab März 2020 eine Honorarkürzung von 2,5 Prozent erdulden müssen. So sehe es sein Entwurf für das nächste E-Health-Gesetz vor.”  So soll der massiver Widerstand einer großen Zahl von Ärzt*innen gebrochen werden.

Und Jens Spahn will seinen Parforce-Ritt in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens unbeirrt fortsetzen. Seinem persönlichen „Fanclub“ teilte das „Team Spahn“ am 15.05.2019 per Newsletter mit: „Jens Spahn hat… heute den Referentenentwurf eines neuen Digitale Versorgung-Gesetz vorgestellt. Der Entwurf sieht unter anderem folgende Maßnahmen vor: Patienten bekommen einen Anspruch darauf, dass ihr Arzt Daten in die elektronische Patientenakte einträgt. Wer möchte, kann zudem Impfausweis, Mutterpass, gelbes U-Heft für Kinder und Zahn-Bonusheft digital speichern lassen. Sinnvolle digitale Anwendungen sollen künftig von Ärzten verschrieben und von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden. Das gilt z. B. für Tagebuch-Apps, die Diabetespatienten bei der Therapie und bei der Kommunikation mit dem Arzt unterstützen, Medikations-Apps oder auch Online-Programme, die begleitende Übungen für eine Physiotherapie anbieten. Patienten sollen Ärzte, die Videosprechstunden anbieten, leichter finden. Darum dürfen Ärzte künftig auf ihrer Internetseite über solche Angebote informieren. Aufklärung durch den Arzt und Einwilligung des Patienten für eine Videosprechstunde ist künftig auch im Rahmen der Videosprechstunde möglich.“

Da kommt Freude auf! Insbesondere bei den Unternehmen, die an diesen digitalen Angeboten verdienen werden. Tagebuch-Apps und Medikations-Apps, die selber keinerlei unmittelbare Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden haben, sollen mit Versichertenbeiträgen finanziert werden. Brillengläser oder Zahnersatz dürfen die Beitragszahler aber auch weiterhin alleine oder durch hohe Zuzahlungen finanzieren.

 

1 Kommentar

  1. [i]Wenn sich viele verweigern, müssen wir noch einmal nachdenken, wie wir darauf reagieren[/i]
    Ja, man könnte sich nun die Argumente der Verweigerer sachlich vortragen lassen, die ganze Sache objektiv durchdenken und damit eine Entscheidung treffen, die nach Faktenlage am sinnvollsten erscheint und den Versicherten tatsächlich helfen könnte…

    …oder:
    [i]Wer seine Praxis nicht an die TI anschließt, soll laut Spahn ab März 2020 eine Honorarkürzung von 2,5 Prozent erdulden müssen.[/i]

    Ganz großes Kino! Mal davon abgesehen, dass selbst bis dahin nicht alle Praxen an der unsicheren TI angeschlossen sind. Auch abgesehen davon, dass wahrscheinlich alle bisher angeschlossenen Praxen den jüngsten Erkenntnissen nach fahrlässig per Parallelanschluss mit der TI verbunden sind und die Gesundheitsdaten so unsicher wie noch nie zuvor sind.
    Nein, wir [b]zwingen[/b] einfach alle aufmüpfigen Bürger dazu, unserem Willen zu gehorchen! Wo kämen wir hin, wenn uns jeder mit Argumenten kommt.

    [i]Aufklärung durch den Arzt und Einwilligung des Patienten für eine Videosprechstunde ist künftig auch im Rahmen der Videosprechstunde möglich[/i]
    Ich krieg mich nicht ein vor Lachen! Ich soll also etwas zum Zustimmen nutzen, für das ich meine Zustimmung während der Nutzung erst erteilen kann? Und wenn ich der Videosprechstunde nach der Aufklärung nicht zustimme? Pech gehabt oder was? Ist wohl auch wieder so eine Art wirkungslose OptOut.

    Ich sehe schon Tagebuch-Apps und Medikations-Apps in Form des BER Flughafens- kosten Millionen und sind nach 8 Jahren Entwicklungszeit auf dem Stand eines Windows Notepad-Editor.

    Die ganze Geschichte wird immer surrealer und auswegloser für die Verantwortlichen. Aber keiner hat den Arsch in der Hose, sich den Problemen wahrhaftig zu stellen und das zu sagen, was keiner hören will. Und nachher wills keiner gewesen sein.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*