Bundesinnenminister de Maizière plant verdachtslose Aufzeichnung des Surfverhaltens im Internet

Datenschutzrheinmain/ August 20, 2014/ alle Beiträge, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung, Vorratsdatenspeicherung/ 2Kommentare

Datenschützer und Internetnutzer protestieren scharf gegen einen neuen Gesetzentwurf von Bundesinnenminister de Maizière. Dieser hat am 19. August 2014 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gestoppte Vorratsdatenspeicherung nun – bezogen auf die Benutzung des Internet – erneut erlauben soll.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) und der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein haben umgehend Stellung genommen und das Vorhaben von de Maizière einer scharfen Kritik unterzogen. Das neuerliche Vorhaben von Bundesminister de Maizière geht noch über die frühere Vorratsdatenspeicherung hinaus, weil sogar der Inhalt unserer Internetnutzung gespeichert werden soll, warnt Florian Altherr vom AK Vorrat.

In dem von de Maizière vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz) versteckt sich auch der erneute Versuch, eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür einzuführen.

  • Jeder Anbieter von Internetdiensten wie Google, Amazon oder Spiegel Online soll danach künftig das Recht erhalten, das Surfverhalten seiner Besucher ohne Anlass aufzuzeichnen – angeblich zum „Erkennen von Störungen“. Tatsächlich würde der Vorstoß zur Änderung des Telemediengesetzes die unbegrenzte und unbefristete Speicherung jeder Eingabe und jedes Mausklicks beim Lesen, Schreiben und Diskutieren im Internet legalisieren.
  • Die Surfprotokolle dürften ohne richterlichen Beschluss an Polizei, Bundeskriminalamt, Geheimdienste sowie an die Unterhaltungsindustrie herausgegeben werden. Eine Beschränkung auf schwere Straftaten ist nicht vorgesehen.
  • Zudem will de Maizière Internet-Zugangsanbieter zwingen, auf Vorrat zu speichern, welcher Teilnehmer wann mit welcher IP-Adresse das Internet genutzt hat. Der Trick: Internetzugangsanbieter sollen ihre Kunden von Hinweisen auf Schadsoftware auf ihrem Rechner benachrichtigen müssen, was eine Speicherung aller IP-Adressen voraussetzt.
  • Der neue Gesetzentwurf sieht keine zeitliche Grenze für Speicherung und Benachrichtigungspflicht vor. Gespeicherte Internet-Verbindungsdaten wären für Auskünfte an Polizei, Bundeskriminalamt, Geheimdienste sowie zum Versand von Abmahnungen an die Unterhaltungsindustrie heranziehbar.
  • Eine richterliche Anordnung staatlicher Anfragen nach der Identität von Internetnutzern ist nicht vorgeschrieben, eine Beschränkung auf schwere Straftaten ebenfalls nicht.

De Maizière will nun nicht nur wissen, wann wir unter welcher Adresse ins Internet gehen, sondern auch, was wir dort tun. Als nächstes will er wahrscheinlich aufzeichnen lassen, welche Gespräche wir im Café führen oder welche Zeitungsartikel wir lesen. Das ist ungeheuerlich, zumal es in einem ganz anderen Gesetz versteckt wird”, ergänzt Altherr „Ich empfinde diese Vorratsdatenspeicherung und Surfprotokollierung durch die Hintertür als eine schallende Ohrfeige für alle, die sich für mehr Daten- und Persönlichkeitsschutz engagieren, zumal der Bundestag 2009 einen vergleichbaren Vorstoß des Amtsvorgängers Schäuble auf unseren Protest hin ausdrücklich abgelehnt hat“, bekräftigt Ute Elisabeth Gabelmann vom Ak Vorrat. „Die nun geplanten Datenberge wären dem permanenten Risiko von Datenklau, Datenpannen und Datenmissbrauch ausgesetzt, was die Sicherheit unserer Daten bedroht. Herr de Maizière widerspricht mit diesem Gesetzentwurf offen seinem nach den Datenskandalen der letzten Jahre öffentlich verkündeten Ziel, den Schutz der Daten von Bürgern und Internetbenutzern zu verbessern und die gesetzlich verankerte Datensparsamkeit endlich zu fördern.“

Der AK Vorrat fordert Bundesregierung und Bundestag auf, für eine sofortige Streichung der geplanten Huckepack-Änderungen des Telemediengesetzes und des Telekommunikationsgesetzes aus dem Gesetzentwurf zur IT-Sicherheit zu sorgen und Bundesinnenminister de Maizière zurückzupfeifen.

Der Gesetzentwurf von Bundesinnenminister de Maizière ist hier im Wortlaut nachlesbar: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzestexte/Entwuerfe/Entwurf_IT-Sicherheitsgesetz.pdf.

Die umfangreiche und detaillierte Stellungnahme des AK Vorrat finden Sie hier: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/748/79/, die Stellungnahme des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein hier: https://www.datenschutzzentrum.de/presse/20140820-it-sicherheitsgesetz.htm.

2 Kommentare

  1. Ihr schmeißt Web und Internet durcheinander. Gemeint ist natürlich das Web.

  2. sehr interessant, wo doch grade wieder Aufrufe der Kassen u. der Bundesvereinigung ein Ende aller alten Karten für 1.1.2015 prophezeien (der Herr sei mit ihnen *gg*)…ohne Testbetrieb mit mind. 1 Million Erstkandidaten ist doch jeder weitere Aufruf sinnlos, da alle Server zusammenbrechen würden. Wichtig wäre auch zu erfahren, ob und wie der Patient von Zuhause seine gespeicherten Daten per Internet irgendwie selbst überprüfen kann und wieviel Personen oder Firmen seine Stammdaten eingesehen haben, natürlich mit der Möglichkeit Daten für die Öffentlichkeit sperren zu können…Ich glaube sowas ist in allen Entwürfen niemals vorgesehen gewesen…da doch die Planung noch aus 2006 abstammt und nie richtig aktualisiert wurde !!!

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