Wiesbaden muss Fragen zur Waffenverbotszone beantworten

R/ Mai 12, 2019/ alle Beiträge, Gefahrenabwehrverordnung Wiesbaden, Polizei und Geheimdienste (BRD), staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung, Uncategorized/ 0Kommentare

Am Dienstag Abend befasste sich der Revisionsausschuss der Stadt Wiesbaden auf Antrag der Fraktion Linke & Piraten mit der seit Januar diesen Jahres in Teilen der Innenstadt geltenden Waffenverbotszone. Linke & Piraten haben für ihren Berichtsantrag u.a. Fragen der Gruppe die Datenschützer Rhein Main aus einem bisher unbeantworteten offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt aufgegriffen und fordern den Magistrat auf, diese zu beantworten. Nach einigem für und wider, ob der  Revisionsausschusses überhaupt für die Klärung der Fragen zuständig sei, oder diese in den Zuständigkeitsbereich des Haupt- und Finanzausschusses vielen, einigte man sich letztlich, die Fragen schriftlich von der Verwaltung bearbeiten und die Antworten an beide Ausschüsse senden zu lassen, so dass sich anschließend jeder Ausschuss mit den Themen befassen kann, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen. 

Als Mitglied der Gruppe die Datenschützer Rhein Main und Bürger der Stadt Wiesbaden habe ich die öffentliche Sitzung besucht und die vorgelagerte Bürgerfragestunde genutzt, um die Ausschussmitglieder zu fragen, wie einerseits in Anbetracht der extrem weiten Definition waffenähnlicher Gegenstände Rechtssicherheit für die Bürger bzgl. verbotener und erlaubter Gegenstände geschaffen werden und andererseits Willkür bei Kontrollen vorgebeugt werden soll. Ein ggfs. auch unbeabsichtigter Verstoß gegen die Verordnung kann für den Bürger mit bis zu 5000 € Strafe schnell sehr teuer werden. 

Antworten kamen von den Piraten (Jörg Sobek), der CDU (Manuel Denzer?) und der SPD (Michael David?). Herr Sobek verwies auf den eingebrachten Antrag und betonte, dass aus Sicht seiner Fraktion die Verhältnismäßigkeit der Verordnung mit ihren weitgehenden Grundrechtseingriffen dringend überprüft werden müsse. Der Vertreter der CDU nutzte die Gelegenheit, den Verweis des Antrags in den Haupt- und Finanzausschuss zu beantragen und äußerte sich daher auch nicht inhaltlich. Die SPD störte sich an dem Wort Willkür und betonte, dass die Kontrollen auf Recht und Gesetz beruhen. Ansonsten ging auch sie nicht auf die Fragestellung ein. 

Der Vertreter der SPD hat natürlich Recht, dass es eine gesetzliche Grundlage gibt, die der Stadt erlaubt eine Waffenverbotszone einzurichten. Dies wurde jedoch von mir gar nicht in Frage gestellt. Meine Kritik richtet sich gegen die extrem vage Formulierung der Verordnung. Diese ermöglich z.B. anlasslose(!) Kontrollen im Bereich der Verbotszone. Ein Bürger muss also nicht durch sein Verhalten auffällig werden, um kontrolliert zu werden. Und hier ist der Schritt zur Willkür sehr klein. Werden die Kontrollen absolut zufällig, also ohne Ansehen der Person, durchgeführt, kann das in Ordnung sein. Dann muss aber zum einen der gut gekleidete Theaterbesucher genau so häufig kontrolliert werden, wie der Kumpel des bekannten Wiederholungstäters, und zum anderen ist die Frage nach der Verhältnismäßig weiterhin offen. Da die Kontrollen jedoch nicht von Maschinen, sondern von Menschen mit all ihren Erfahrungen und Erlebnissen durchgeführt werden, dürfte die Ausgewogenheit der Auswahl von zu kontrollierenden nur sehr schwer sicherzustellen sein. 

Vor diesem Hintergrund erledigt sich auch der plumpe Seitenhieb seitens der CDU, die in der kurzen Diskussion des Tagesordnungspunktes auffällig betonte, dass sie die Mitarbeiter der Stadtpolizei durchaus für in der Lage hielte, einen alten Mann mit Krückstock oder einen Passanten, der sein Fahrrad abschließt, zu erkennen. Hier wurden zwei beispielhafte Gegenstände aus meiner Frage aufgegriffen, die nach Definition der Verordnung als waffenähnliche Gegenstände zu werten wären oder zumindest so gewertet werden könnten („metallene oder scharfkantige oder spitze Gegenstände, welche als Schlag-, Stich- oder Wurfwaffe eingesetzt werden können“). Es sollte damit offensichtlich angeuten werden, dass ich die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden für unfähig oder gar dumm hielte. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Meine Kritik richtet sich nicht gegen die Mitarbeiter, die eine wichtige und in der großen Mehrheit hervorragende Arbeit leisten, sondern ausschließlich gegen die handwerklich extrem schlechte Verordnung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ordnungsbehörden sind es letztlich, die die Unzulänglichkeiten der Verordnung ausbaden müssen. Sie müssen vor Ort und ggfs. vor Gericht jeden Anschein von Diskriminierung bei der Auswahl der zu kontrollierenden vermeiden. Und ihnen obliegt es auch zu entscheiden und zu begründen, ob der stabiler Metallkugelschreiber, der vielleicht bei einem ‘alten Bekannten’ gefunden wird, eine gefährliche Stichwaffe ist, und warum das fast baugleiche Designermodell, das der freundliche  Ladenbesitzer bei sich trägt ggfs. keine ist. Ich hoffe, dass Ihnen das aufgrund ihrer Ausbildung und Professionalität besser gelingt, als ich es für möglich halte.

Ich habe durchaus Verständnis für die Intention der Verordnung. Allerdings fehlt mir eine stichhaltige Darlegung der Erforderlichkeit der Waffenverbotszone. Die einfache Behauptung, es wären in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Personen mit waffenähnlichen Gegenständen angetroffen worden, reicht für einen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger nicht aus. Wie auch Herr Sobek in seiner Antwort auf meine Frage dargestellt hat, wird die Stadt Wiesbaden von den Vertreten der Politik und der Sicherheitsbehörden zu Recht bei jeder Gelegenheit als sehr sicher dargestellt. Und wenn in einer sicheren Stadt plötzlich anlasslose Kontrollen und Durchsuchungen erforderlich sein sollen, muss dies schon sehr gut begründet werden. Hinzu kommt die extrem vage Beschreibung waffenähnlicher Gegenstände in der Verordnung, mit der nahezu beliebige Alltagsgegenstände unter das Verbot fallen. Als Anwohner der Verbotszone sollten Sie z.B. ein sommerliches Picknick nicht zu spät ausklingen lassen. Werden sie nach 21 Uhr mit ihrem Picknickkorb angetroffen, in dem sich auch Besteck befindet, könnte das bereits teuer werden (die Verordnung sieht tatsächlich den Ausnahmetatbestand der Verwendung von Essbesteck im Rahmen eines gastronomischen Betriebes vor). Hier wurde deutlich über das Ziel hinausgeschossen. 

Per Verordnung praktisch alles verbieten, sich dann hinstellen und sagen, es wäre ja nicht so gemeint, würde natürlich mit Augenmaß angewandt und solle ja auch ausschließlich „die Richtigen“ treffen, geht in einer Demokratie nicht!

 

Nach Abschluss des Tagesordnungspunktes verließen sowohl die Leiterin des Ordnungsamtes, Frau Paul, und der Leiter der Stadtpolizei, Herr Erkel, als auch ich die Sitzung. Vor dem Sitzungssaal sprach ich die beiden Verwaltungsmitarbeiter freundlich an, ob sie zu einem kurzen Austausch zum Thema bereit wären. Frau Paul lehnte kurz und knapp jegliche weitere Kommunikation ab. Herr Erkel reagierte zwar reserviert, aber freundlich. Auch wenn er sich letztlich nicht inhaltlich zum Thema äußerte, kündigte er zumindest an, dass die Datenschützer Rhein Main in den kommenden Tagen die ausstehende Antwort von OB Gerich erhalten würden. Wir sind sehr gespannt.

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