Welche Regelungen zur Videoüberwachung enthält die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO)?
Am 25. Mai 2018 wird die EU-Datenschutz-Grundverordnung in Kraft treten und direkt geltendes Recht in allen Mitgliedsstaaten sein. Sie bringt einige Neuerungen für das Datenschutzrecht mit sich. Diese betreffen nicht nur Unternehmen sondern auch den einzelnen Bürger.
Der nachfolgende Text geht auf das Thema Videoüberwachung ein und bietet eine kurze Zusammenfassung der neuen Regelung.
Die Videoüberwachung stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG der Betroffenen dar. Ein solcher Eingriff bedarf immer einer legitimierenden Rechtsnorm.
Bei Durchsicht der EU-DSGVO fällt auf, dass im Gegensatz zu den ausführlichen Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 6b BDSG) die EU-DSGVO in den Artikeln 1 bis 99 zunächst einmal keine ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen über die Videoüberwachung mehr enthält.
In den Erwägungsgründen wurde konkret ausgeführt, dass eine Datenschutz-Folgenabschätzung für die weiträumige Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche, insbesondere mittels optoelektronischer Vorrichtungen erforderlich ist (EW 91, Satz 3).
In der EU-DSGVO findet der „Einstieg“ zur Regelung der Videoüberwachung nun über den Artikel 35 statt. Dieser verlangt die Durchführung einer sogenannten „Datenschutz-Folgenabschätzung“ für Verarbeitungsvorgänge mit voraussichtlich hohem Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen:
(1) Hat eine Form der Verarbeitung, insbesondere bei Verwendung neuer Technologien, aufgrund der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge, so führt der Verantwortliche vorab eine Abschätzung der Folgen der vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge für den Schutz personenbezogener Daten durch. Für die Untersuchung mehrerer ähnlicher Verarbeitungsvorgänge mit ähnlich hohen Risiken kann eine einzige Abschätzung vorgenommen werden.
In Artikel 35 Absatz 3 c wird dann konkret die systematische umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche (Videoüberwachung) genannt, für die eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchgeführt werden muss.
Im Zusammenhang mit einem geplanten Einsatz einer Videoüberwachung wird somit der jeweilige Verantwortliche verpflichtet, eine Einschätzung durchzuführen, mit der die spezifische Eintrittswahrscheinlichkeit und die Schwere dieses hohen Risikos unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung und der Ursachen des Risikos bewertet werden. Sie sollte sich insbesondere mit den Maßnahmen, Garantien und Verfahren befassen, durch die dieses Risiko eingedämmt, der Schutz personenbezogener Daten sichergestellt und die Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung nachgewiesen werden.
Die Datenschutz-Folgenabschätzung ist ihrem Wesen nach der Vorabkontrolle des Bundesdatenschutzgesetzes gleichzustellen und soll in Konstellationen, in denen die Datenverarbeitung ein erhöhtes Eingriffspotential aufweist, den Schutz erhöhen.
In der Gesamtbetrachtung der neuen Regelung der EU-DSGVO zur Videobetrachtung wird unter Datenschützern vielfach die Frage diskutiert, ob künftig durch die nun eher „generischen“ Regelungen eventuell geringere datenschutzrechtliche Anforderungen an die Zulässigkeit einer Videoüberwachung gestellt werden. Denn was genau unter den Voraussetzungen „systematisch“ und „umfangreich“ zu verstehen ist, geht aus der EU-DSGVO jedenfalls nicht hervor. Die Begriffe lassen einen erheblichen Interpretationsspielraum zu.
Aus den Fachkreisen eine abschließende rechtliche Bewertung der komplexen Frage der künftigen datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Videoüberwachung zu entnehmen ist zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer oder noch gar nicht möglich. Man wird die Umsetzung in der Praxis abwarten müssen.
Geringere datenschutzrechtliche Anforderungen an die Zulässigkeit einer Videoüberwachung jedoch und damit einhergehend eine eventuelle unverhältnismäßige Ausweitung dieser an öffentlichen Orten kann meines Erachtens nur zu einer massiven und unverhältnismäßigen Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung führen.
Eine erhebliche Rolle wird hier voraussichtlich den datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden zufallen. Gemäß Artikel 35 Abs. 4 EU-DSGVO ist es deren Aufgabe, eine Liste mit Datenverarbeitungsprozessen zu erstellen, die einer Datenschutz-Folgenabschätzung unterworfen werden müssen. Denkbar ist, dass hier die Begriffe „systematisch“ und „umfangreich“ in einer Form ausgelegt werden, die faktisch dann doch – wieder – dazu führen wird, dass jede Videoüberwachung einer besonderen Kontrolle unterliegt.