Was hat die elektronische Gesundheitskarte (eGk) gemeinsam mit der Lastwagenmaut auf Autobahnen / Toll Collect, der Hamburger Elbphilharmonie, dem Berliner Hauptstadtflughafen (BER) und dem unterirdischen Bahnhof in Stuttgart (S 21)?

Datenschutzrheinmain/ Oktober 18, 2016/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 0Kommentare

In seiner Kolumne in der Frankfurter Rundschau vom 30.09.2016 beschäftigt sich Dr. med. Bernd Hontschik, Facharzt für Chirurgie in Frankfurt, mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGk) unter der Überschrift Weltweit größtes IT-Projekt. Er stellt dabei Vergleiche an mit anderen technischen Großprojekten in Deutschland:

  • 2002: Lastwagenmaut auf Autobahnen / Toll Collect;
  • 2006: Planung der Hamburger Elbphilharmonie;
  • 2006: Planung des Berliner Hauptstadtflughafen (BER);
  • 2009: Planung des unterirdischen Bahnhofs in Stuttgart (S 21).

Bei den genannten Projekten weist der Kolumnist darauf hin, welche maßlosen Differenzen zwischen den ursprünglich geplanten Ausgaben und den tatsächlichen Kosten entstanden sind. Zur eGk stellt er fest: „2003 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz, mit dem die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte beschlossen wurde. Als Starttermin war 2006 geplant. Die technischen Probleme der Online-Anwendungen, insbesondere beim Datenschutz und der sicheren Vernetzung aller am Gesundheitswesen beteiligten Institutionen und Personen, sind bis heute, über zehn Jahre danach, noch nicht gelöst… Seit Dezember 2015 soll nun das ‚Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen‘, das sogenannte E-Health-Gesetz, die Lösung der Probleme bringen. Das Gesundheitsministerium verkündet stolz, es handele sich um ‚das weltweit größte IT-Projekt‘. Das wird es wohl noch länger bleiben: ein Projekt… Bisher sind etwa eine Milliarde Euro investiert worden. Mehr als ein Foto auf der Karte hat man aber noch nicht zustande gebracht. Bis zum immer wieder verschobenen Roll-out der Karte wird eine weitere Milliarde Euro dazu kommen…“

Dr. Hontschik kommt zum Ergebnis: Was für eine großartige Investition in die IT-Industrie, was für eine jämmerliche Vorstellung von Politik und Wirtschaft, was für ein riesiger Verlust an finanziellen Ressourcen für das Gesundheitswesen! Schon lange gebietet die Vernunft ein sofortiges Beenden dieses Irrsinns, schreit nach einem Konkurs der Beteiligten und nach einer Klage auf Regress gegen die Verantwortlichen. Aber anscheinend ist dieses Projekt systemrelevant. Da gelten ja bekanntermaßen die Gesetze der Vernunft nicht.“

Auch der letzte Beitrag von Dr. Hontschik ist lesenswert. Am 14.10.2016 beschäftigt er sich unter die Überschrift „Tabubruch“ mit den Praktiken der Krankenkassen, die Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK) in einem Interview mit der Frankf. Allg. Sonntagszeitung am 09.10.2016 unter dem Stichwort Upcoding öffentlich gemacht hatte.

Dr. Hontschik stellt dazu u. a. fest: „Vor acht Jahren wurde der Gesundheitsfonds erfunden. Der Krankenkassenbeitrag wird seitdem nicht mehr an die eigene Krankenkasse abgeführt, sondern an diesen Gesundheitsfonds. Der wiederum verteilt nun diese Einnahmen auf die über 200 Krankenkassen der Republik, und zwar nach Anzahl, Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand ihrer Mitglieder. Einfach gesagt: Je kränker die Mitglieder einer Krankenkasse, desto mehr Geld erhält diese. Das nennt man morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich („Morbi-RSA“). Für diesen Morbi-RSA gibt es nun eine Liste von 80 schweren Krankheiten, die zu einer signifikant erhöhten Geldzuweisung an die Kassen führen… Was Jens Baas sagt, ist Eingeweihten ja längst bekannt. Aber dass er das als Chef der größten Krankenkasse offen zugibt, das ist das Besondere…“

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Dr. med. Bernd Hontschik, Facharzt für Chirurgie in Frankfurt, schreibt in regelmäßigen Abständen Kolumnen zu medizinischen und gesellschaftspolitischen Themen in der Frankfurt Rundschau. Alle seine Beiträge hat er auf seiner eigenen Homepage dokumentiert.

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