Trotz Arbeitszeitbetrug: Kündigung wegen unerlaubter Überwachung am Arbeitsplatz mittels Keylogger unwirksam
Das Landesarbeitsgericht Hamm (NRW) hatte mit Urteil vom 17.06.2016 (Aktenzeichen: 16 Sa 1711/15) über eine fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung zu entscheiden.
Die Vorgeschichte: Ein Unternehmen vermutet, dass ein Beschäftigter während seiner Arbeitszeit seinen vom Unternehmen gestellten PC zu privaten Zwecken nutzt. Der betroffene Beschäftigte erklärte auf Befragen gegenüber dem Unternehmen, dass er an einem Tag 3 Stunden sowie täglich ca. 10 Minuten private Tätigkeiten während der Arbeitszeit ausgeübt habe. Das Unternehmen geht von einer deutlich höheren privat genutzten Arbeitszeit aus. Als Beweismittel legt es Log-Dateien eines Keyloggers vor, der ohne Kenntnis des Betroffenen heimlich auf dessen dienstlich genutzten PC installiert war.
Die Entscheidung: Das Gericht erklärte die fristlose wie auch die ordentliche Kündigung für unwirksam.
In der Urteilsbegründung (Randnummern 91 – 93) stellte das Landesarbeitsgericht Hamm fest: „Durch die heimliche Installation des sog. Keyloggers hat die Beklagte in massiver Weise in das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, eingegriffen. Bei einem Keylogger (‚Tasten-Protokollierer‘) handelt es sich um eine Hard- oder Software, die dazu verwendet wird, sämtliche Eingaben des Benutzers an der Tastatur eines Computers zu protokollieren und damit zu überwachen oder zu rekonstruieren. Durch die Protokollierung jeder Tastatureingabe werden auch hochsensible Daten – wie z. B. Benutzername und Passwörter für geschützte Bereiche, PINs pp. – erfasst und protokolliert. Wie massiv der Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ist, wird vorliegend bereits daran deutlich, dass sich die Kammer zu Beginn der mündlichen Verhandlung zu dem Hinweis genötigt sah, der Kläger möge sich eine neue Kreditkarte besorgen, damit die Prozessbeteiligten bei einem etwaigen Missbrauch seiner Kreditkarte nicht in einen unberechtigten Verdacht geraten. Aufgrund der protokollierten Tastatureingaben und Vorlage der LOG-Dateien im Verfahren waren nämlich nicht nur der Beklagten als Arbeitgeberin, sondern allen Prozessbeteiligten sämtliche Informationen über die Kreditkarte des Klägers, wie Kreditkartennummer, dreistellige Prüfnummer, Gültigkeitsdauer pp. zugänglich. All diese Daten waren protokolliert und hätten ohne Weiteres Käufe im Internet zu Lasten der Kreditkarte des Klägers ermöglicht. Zusätzlich zur Protokollierung jeder Tastatureingabe hat der von der Beklagten heimlich installierte Keylogger auch regelmäßige ‚Sreenshots‘ (Bildschirmfotos / Bildschirmkopien) erstellt. Der massive Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Verwertung der heimlich beschafften Daten und Erkenntnisse zu Beweiszwecken nicht zulässig ist.“
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm ist hier im Wortlaut nachlesbar.