Price Waterhouse Coopers träumt von Big Data in der Medizin
Florian Buschbacher, Senior Manager im Bereich Big Data & Data Analytics beim Beratungsunternehmen PWC (Price Waterhouse Coopers), spekuliert darüber,
wie Big Data die medizinische Versorgung verbessern könne. Interessant ist hier die Hybris eines Informatikers, der meint sagen zu können, wie ein Arzt seine Arbeit besser machen kann (z.B. wie mit Hilfe von Big Data „ein Arzt in einer kritischen oder neuen Situation während eines medizinischen Eingriffs bestimmen [kann], was der nächste Behandlungsschritt ist.“). Wie würde ein Informatiker es finden, wenn ein Arzt ihm erklären will, wie er z.B. eine Web-Applikation absichern kann? Eventuell indem er bestimmte Vitaldaten wie Pulsfrequenz und Serotoninspiegel in einem gewissen Bereich hält? Dem Informatiker ist klar, dass der Arzt ihm nur einer Voraussetzungen für seine Arbeit, nämlich bei seiner Gesundheit behilflich sein kann.
Diese Hybris ist nicht neu. Einst wurden Expertensystemen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz auch wahre Wunderdinge angedichtet. Ihr Begründer Josef Weizenbaum ist zu einem ihrer prominentesten Kritiker geworden. Expertensysteme sind nicht von der Bildfläche verschwunden, besetzen heute aber nur Nischen in der medizinischen Diagnostik oder Therapie. Unkritisch angewandt können sie sogar nachgerade gefährlich sein.
Statt des wissensbasierten Ansatzes bei den Expertensystemen sollen uns nun also statistische Analysen und Mustererkennung in großen Datenbeständen retten: „Man [kann] beispielsweise während einer Behandlung die Daten ähnlicher Patienten verwenden, um Muster abzuleiten. Diese tragen dann dazu bei, die richtige Entscheidung zu treffen, welche Behandlungsmethoden und Medikamente ein Patient braucht. Somit kann ein Arzt eine individualisierte Behandlung durch Ähnlichkeitsanalysen einleiten.“
Zum einen wird auch ein statt auf Wissen auf Massendaten und Ähnlichkeitsanalysen basierendes System nicht an die Intuition eines erfahrenen Arztes heranreichen oder sogar seinen Blick verstellen oder in die falsche Richtung lenken. Zum anderen setzt ein solches System eine massive Verletzung des Datenschutzes voraus, da es den unautorisierten Zugriff auf die medizinischen Daten voraussetzt. Dies steht im eklatanten Widerspruch
zu den politischen Zusicherungen, dass dieser Zugriff nur vom Patienten selbst für jeden einzelnen Zugriff mit Hilfe eines elektronische Gesundheitskarte genannten Kärtchens erlaubt werden kann.
Mich hat vor allem folgende Passage erschrocken gemacht: „… Krankenkassen können Kosten sparen, indem sie Behandlungsabläufe gleicher Krankheitsbilder vergleichen, um Falschdiagnosen und dadurch entstehende unnötige Kosten bereits vorab zu erkennen. Ärzten macht die Technologie Entscheidungen leichter, selbstverständlich ohne sie durch das System zu bevormunden. Derart, indem sie Big Data Analysen einsetzen, um basierend auf Behandlungsdaten bisheriger Patienten den richtigen Behandlungsplan und die passende Therapie für den jetzigen Patienten vorzuschlagen. Dies führt sowohl dazu, dass man Falschdiagnosen reduzieren kann als auch dass der Arzt bei der Wahl der richtigen Medikation unterstützt wird.“
Als technischer und medizinischer Laie habe ich mir das so übersetzt:
1. Algorithmen ersetzen den Blick des ausgebildeten Arztes aus den konkreten Einzelfall, den konkreten Patienten, seine konkreten Befindlichkeiten und Erkrankungen.
2. Der Arzt entscheidet nicht mehr selbst; er lässt sich in seiner Entscheidungsfindung leiten durch den Algorithmus. Dieser wiederum stützt sich auf eine Massenbasis von Personen- und Gesundheitsdaten.
3. Das reduziert massiv die Kosten für das Gesundheitswesen.
4. Und genau dafür brauchen wir (die Krankenkassen und die Konzerne der Gesundheitsindustrie) die Telematikinfrastruktur, um den Datenpool der gesetzlich versicherten 60 Millionen Kassenmitglieder und Familienangehörigen zu erschließen.
So werden aus Individuen „Datenträger“. Und Menschen werden zu Maschinen mit standardisierten Bauplänen abgewertet. Das ist unmenschlich! Und deshalb müssen wir Nein! sagen zur eGk, Nein! sagen zur Telematik-Infrastruktur und Nein! sagen zum e-Health-Gesetzentwurf aus dem Hause Gröhe.