Dr. Hontschiks Diagnose: „Warum die elektronische Gesundheitskarte mehr schadet als nutzt“

Datenschutzrheinmain/ September 20, 2017/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 1Kommentare

Dr. med. Bernd Hontschik, Chirurg aus Frankfurt, schreibt für die Frankfurter Rundschau die Kolumne „Dr. Hontschiks Diagnose“ In seinem Beitrag vom 09.09.2017 beschäftigt er sich zum wiederholten Mal mit der elektronischen Gesundheitskarte. Seine Diagnose:

„Die eGK stellt alle Pannen des Berliner Flughafens bei weitem in den Schatten. Die eGK übertrifft die LKW-Maut an Chaos und technischen Fehlplanungen um Längen. Und auch die Verzehnfachung der Kosten, wie es die Elbphilharmonie in Hamburg vorgemacht hat, wird die eGK locker toppen, wenn es so weitergeht. Aber geht es so weiter? … nun hat eine der größten Krankenkassen im Land die Nase voll und geht ihren eigenen Weg: Der Chef der Technikerkasse, Jens Baas, erklärte die eGK… schon vor einem knappen Jahr für ‚tot‘. In Kooperation mit IBM entwickelt die Technikerkasse jetzt eine eigene digitale Patientenakte für ihre zehn Millionen Versicherten. Es steht uns also ein Flickenteppich von elektronischen Karten, zentralen oder dezentralen Speicherungen mit PINs und TANs und einer Unzahl von Passwörtern ins Haus. Widerstand ist jetzt erst recht wichtig. Dabei wäre es doch so einfach, wenn statt irgendwelcher zentralen Server, die bislang noch überall und alle gehackt werden konnten, eine dezentrale Netzwerklösung installiert würde. Niemand müsste die Verfügungsgewalt über die Gesundheitsdaten abgeben, niemand müsste sich vor Datendiebstahl fürchten, und alle Kommunikationsprobleme im Gesundheitswesen wären gelöst. An diesen umfassenden Gesundheitsdaten, die auf zentralen Servern gesammelt werden sollen, besteht aber allergrößtes Interesse. Hard- und Softwarekonzerne, Regierungen, Strafverfolgungsbehörden, Versicherungen, Arbeitgeber, sie alle stehen in Warteposition. Das würde zwar nie jemand zugeben, aber nur deswegen hält man hartnäckig an den zentralen Servern fest. Es gibt keinen anderen nachvollziehbaren Grund.“

1 Kommentar

  1. „Die Utopie ist näher als wir denken“
    Die Dezentralität ganz unterschiedlicher Software-Lösungen der Krankenkassen ist sicher mehr gegeben als in dem IT-System der elektronischen Gesundheitskarte und Telematikinfrastruktur, in dem der globale Austausch der Daten über das Metadatenmodell und das Interoperabilitätsverzeichnis mit Namen vesta umgesetzt wird. Die globalen Standards des möglichst reibungslosen Datenaustauschs zwischen verschiedenen Plattformen im Gesundsheitssystem sind allerdings sehr weit entwickelt, dazu gehören z.B. CDA, HL7, Sciphox, Aktin, u.v.m. Die Idee des semantischen Web heißt nun mal, dass auch zergliederte dezentrale Einheiten bedingungslos vernetzt werden können. Die Zentralität, in unsere Vorstellung, wird in dieser Welt zum „Just in time“ Produkt, dass heißt die zentralen Punkte für Auswertung und Zusammenfassungen der Daten können überall in dieser Infrastruktur angelegt werden, um dann wieder gelöscht zu werden. Zentralität ist nicht mehr an Server gebunden sondern an Software
    und die Virtualisierung der Server wird nun zur Virtualisierung von Rechenzentren.
    Virtualisierung ist pure Software, so kann man heute die Server einfach von Punkt A nach Punkt B verschieben, von New York nach HongKong ohne das es die Anwender merken.
    Das hießt wir haben es mit einer sehr großen gesellschaftlichen und politischen Aufgabe zu tun hier zu gestalten und zu regulieren. Dafür fehlen die Grundlagen, denn welcher Mehrwert würde in einer kommerzialisierten Welt dadurch entstehen?
    Das Kernproblem liegt in einer Entwicklung des Staates, der zu wenig Mittel für unabhängige soziale und ethische Aufgaben bereitstellt. Wir müssen diese utopisch anmutenden Entwicklungen zunächst verstehen um sie dann in neuen Formen zu gestalten. In der Praxis wäre der Zeitpunkt mehr als gekommen einen
    IT-Gipfel in Deutschland abzuhalten, der diesen Namen auch verdient.

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