Bundesgerichtshof (BGH): Heimliche Beschlagnahme von E-Mail-Inhalten ist rechtswidrig
Die Vorgeschichte:
Ein Angeklagter in einem Strafverfahren hatte gerügt, dass aufgrund von zwei Beschlüssen des Amtsgerichts Oldenburg beschlagnahmte Daten auf dem E-Mail-Konto eines Mitangeklagten verwertet, obwohl dieser von den Maßnahmen auch nachträglich nicht unterrichtet worden sei.
Das Urteil:
Der BGH stellt in seinem Urteil vom 04.08.2015 (Aktenzeichen 3 StR 162/15) fest: E-Mails und Daten auf Mailservern dürfen grundsätzlich nicht heimlich beschlagnahmt werden.
Die Begründung:
„Bei der Beschlagnahme der auf dem Mailserver eines Providers gespeicherten Daten handelt es sich um eine offene Ermittlungsmaßnahme, deren Anordnung den davon Betroffenen und den Verfahrensbeteiligten bekannt zu machen ist… Eine Zurückstellung der Benachrichtigung wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks sieht die Strafprozessordnung für diese Untersuchungshandlung… nicht vor… Der Auffassung des Landgerichts, den Strafverfolgungsbehörden falle Willkür dann nicht zur Last, wenn sie aufgrund eines ‚nachvollziehbaren Interesses‘ an der Geheimhaltung der Beschlagnahme von Benachrichtigungen absehen, geht daher fehl. Es ist nicht Sache der Ermittlungsbehörden oder Gerichte, in Individualrechte eingreifende Maßnahmen des Strafverfahrens je nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen zu gestalten; sie sind vielmehr an das Gesetz gebunden. Es wäre allein Sache des Gesetzgebers, eine Regelung in die Strafprozessordnung einzufügen, die es den Ermittlungsbehörden gestattet, Beschlagnahmen vor den davon Betroffenen aus ermittlungstaktischen Gesichtspunkten zunächst zu verheimlichen und erst dann offen legen zu müssen, wenn dadurch die weiteren Ermittlungen nicht mehr gefährdet werden…“
Fazit:
So schön dieses Urteil auch daher kommt: Wenn rechtswidriges Verhalten von Ermittlungsbehörden und Gerichten – wie im vorliegenden Fall – nicht sanktioniert (sprich: unter Strafe gestellt) wird, dürften die praktischen Auswirkungen des BGH-Urteils auf die Praxis der Strafverfolgungsbehörden eher marginal bleiben.