#BerlinAttack: Gedenken an die Opfer – Solidarität und Mitgefühl für die Angehörigen – Grundrechte und bürgerliche Freiheiten verteidigen

Datenschutzrheinmain/ Dezember 22, 2016/ alle Beiträge, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung/ 0Kommentare

Auch die Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main trauern um die Opfer des Anschlags am Breitscheidplatz in Berlin. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Toten. Den körperlich und seelisch Verletzten dieses Terrorakts wünschen wir baldige und vollständige Genesung. Wir möchten aber zugleich eine Stellungnahme in Erinnerung rufen, die der Chaos Computer Club, die Humanistische Union, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein und die Digitale Gesellschaft e.V. nach dem Anschlag auf das Pariser Satire-Magazin Charlie Hebdo am 07.01.2015 veröffentlicht haben. Deren Inhalt muss auch nach #BerlinAttack eine wichtige Maxime bleiben:

„Die Reaktion auf eine solche Tat stellt eine demokratische Gesellschaft auf eine harte Probe. Emotionale Reaktionen auf einen solchen Schrecken sind vor allem eines: menschlich. Doch Emotionen dürfen nicht die Debatte und Politik bestimmen. Wer jetzt versucht, den Schock des Mordanschlags politisch auszunutzen und ‚Anti-Terror-Gesetze‘ aus der Schublade zu holen, kann vielleicht auf medialen und gesellschaftlichen Zuspruch hoffen. Doch es ist der falsche Weg mit Gesetzen zu reagieren, die mehr ‚Sicherheit‘ vorgaukeln, aber letztlich nur die Freiheit an sich einschränken werden… Auch in Anbetracht von Anschlägen dürfen die Grundfesten der Demokratie niemals aufgegeben werden: Menschen- und Freiheitsrechte sind der Kern und das Wesen demokratischer Gesellschaften. Wer sie in Folge solcher Mordanschläge einschränkt, abbaut oder in ihr Gegenteil verkehrt, hilft indirekt denjenigen, die Anschläge verüben. Jede Reaktion, die Grundrechte und Freiheiten abbaut, ist eine Aufwertung des Terrors und der Folgen, die er mit sich bringt.“

Darauf hat auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) in einer Stellungnahme vom 20.12.2016 hingewiesen: Die Verantwortung der Minister und aller Innenpolitiker gebietet es, besonnen und  mit Bedacht auf die Situation zu reagieren. Mit einem Wettlauf etwa um die schärfsten Gesetze und härtesten Sicherheitsmaßnahmen sei niemandem geholfen. Nach Ansicht des DAV ist es Ausdruck eines starken Rechtsstaates, gerade in solchen Ausnahmesituationen mit kühlem Kopf zu agieren. Gerade vor dem Hintergrund dramatischer Anschläge sei es wichtig, an den rechtsstaatlichen Garantien festzuhalten. „Der freiheitliche Rechtsstaat ist Teil unserer demokratischen Identität.“

Keinerlei Verständnis kann es deshalb für Erklärungen geben, wie sie z. B. Klaus Bouillon (CDU, Innenminister des Saarlands, Vorsitzender der Innenministerkonferenz) abgab. Nach dem Anschlag in Berlin meinte er, in einem Interview feststellen zu müssen: „Wir müssen konstatieren, wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten“. Wer so spricht, handelt verantwortungslos!

Aber auch Stellungnahmen wie in der ARD, in denen erklärt wird, mit #BerlinAttack sei der Terror jetzt in Deutschland angekommen, sind geschichtsvergessen und falsch! Zu erinnern ist an

  • die terroristischen Übergriffe der RAF, die sich in den 70er Jahren gegen Repräsentanten von Politik, Sicherheitsbehörden und Unternehmen richteten;
  • den von Neonazis verübten Bombenanschlag beim Oktoberfest 1980, der sich unterschiedlos gegen alle BesucherInnen dieser Veranstaltung richtete, egal welcher Nationalität, Religion und Hautfarbe sie waren und bei dem 13 Menschen getötet und 211 verletzt wurden;
  • die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) seit dem Jahr 2000, der vorwiegend Menschen türkischer Herkunft zum Opfer fielen und
  • an hunderte von Gewalttaten gegen MigrantInnen und Flüchtlinge, die seit 1990 in dichter Folge in Deutschland stattfanden. Mölln und Solingen sind dafür zwei Stichworte.

Die Erinnerung daran kann und soll die menschenverachtende Gewalttat von #BerlinAttack nicht relativieren. Aber sie kann dazu beitragen, auch in der gegenwärtig außerordentlich stark zugespitzten politischen Auseinandersetzung über Reaktionen und Konsequenzen besonnen nachzudenken und zu handeln. Grundrechte und bürgerliche Freiheiten sind zu wichtig, um sie auf dem Altar vorgeblicher Sicherheit zu opfern.

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