Anforderungen an elektronische Behördenakten – Verwaltungsgericht Wiesbaden rügt rechtswidrige Verhaltensweisen hessischer Behörden

Datenschutzrheinmain/ April 8, 2015/ alle Beiträge, Beschäftigten- / Sozial- / Verbraucherdaten-Datenschutz, Hessische Landespolitik/ 1 comments

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat sich in einer Entscheidung vom 20.01.2015 (Aktenzeichen: 6 K 1567/14) mit der Praxis hessischer Behörden bei der Erstellung elektronischer Akten beschäftigt. Mit dem Urteil wurde zwar eine Klage einer hessischen Einwohnerin auf Einbürgerung abgewiesen, zugleich aber eine scharfe und detaillierte Kritik am Erlass der „Verwaltungsvorschrift über das Einbürgerungsverfahren“ des Hessischen Innenministeriums und der daraus abgeleiteten Praxis hessischer Behörden bei der Erstellung elektronischer Akten geübt. Das Gericht stellte u. a. fest:

  • „Wenn die verantwortlichen Stellen – welche datenschutzrechtlich grundsätzlich Dritte zueinander sind, da es datenschutzrechtlich keinen „Konzern Hessen“  gibt – keinen Vertrag mit der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung schließen, dürfen sie auch keine Daten durch diese verarbeiten lassen und erst recht nicht an diese übermitteln“ (Urteilsbegründung Rn. 40).
  • „… ist die elektronische Einbürgerungsakte (PDF-Akte) rechtlich mehr als höchst bedenklich, ja in der Form, in der diese derzeit betrieben ist, unzulässig(Urteilsbegründung Rn. 38).

Bereits in den Leitsätzen macht das Gericht seinem Unmut über die Verletzung verwaltungsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Normen Luft:

  1. „Behörden sind zur Vorlage von Urkunden und Akten verpflichtet. Verfügt die Behörde über elektronische Dokumente, so ist sie zur Übermittlung der elektronischen Dokumente verpflichtet. Die Vorlage einer sogenannten ‚PDF Akte‘ in ausgedruckter Form reicht dazu nicht aus.
  2. Elektronische Dokumente müssen mit einer qualifizierten Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sein. Einfach eingescannte Unterlangen haben den Wert einer einfachen Kopie.
  3. Eine Kopie erweckt zwar den Anschein, Abbild des Originals zu sein, ihre inhaltliche Unverfälschtheit steht aber nicht fest. Kopien können manipuliert oder in anderer Form elektronisch erzeugt worden sein
  4. Spätestens zum Zeitpunkt der Verarbeitung (Erhebung, Verarbeitung, Nutzung) muss das Verfahrensverzeichnis – die Meldung – in vollständiger Form vorzuliegen.
  5. Bei den besonderen Arten personenbezogener Daten (wie Gesundheitsdaten, strafrechtliche Verurteilungen, Betreuungsverhältnisse) sind besondere Sicherungen erforderlich, wie z.B. gesonderte Unterakten, die nur beschränkt einsichtsfähig sind und ggf. früher gelöscht werden können.
  6. Bei der Auftragsdatenverarbeitung ist der Auftrag zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer schriftlich zu erteilen. Fehlt diese, so dürfen dem Auftragnehmer keine Daten übermittelt werden, andernfalls sind sie zu löschen.
  7. Die derzeit in Hessen praktizierte elektronische Einbürgerungsakte (PDF Akte) ist rechtlich mehr als höchst bedenklich, ja in der Form, in der diese derzeit betrieben wird, unzulässig.
  8. Die semi-professionelle Handhabung rechtlicher Bedingungen, an welche sowohl der Beklagte, als auch die vorgesetzte Behörde, gebunden sind, kann nicht zum Nachteil der Einbürgerungsbewerber gereichen.
  9. Mangels eines Verfahrensverzeichnisses gemäß § 6 HDSG und damit dem Vorliegen einer ordnungsgemäßen Meldung sind die Daten… nicht verwertbar.“

1 Comment

  1. hallo,
    gute Arbeit.

    ..habe selten so herzerfrischend in mich rein_lachen können: „Semi-Professionelle Handhabung…“

    best regards
    supke

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