Lebenslange Krankenversichertennummer und lebenslange Steuer-ID – ein Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung

Datenschutzrheinmain/ Januar 15, 2015/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 9Kommentare

Bundesgesundheitsminister Gröhe plant, die – nach seiner Zählung – mehr als 200 vd. informationstechnischen Systeme im Gesundheitswesen zu vereinheitlichen und ihre Datenbestände für die Institutionen im Gesundheitswesen nutzbar zu machen. So begründete er bereits im August 2014 seine Pläne für ein E-Health-Gesetz (siehe http://www.bmg.bund.de/ministerium/presse/interviews/gelber-dienst-110814.html). Die lebenslange Krankenversichertennummer stellt ein Suchkriterium dar, mit der die bislang verstreuten Informationen personenbezogen zugeordnet werden könnten. Der gläserne Patient wäre endgültig Wirklichkeit geworden.

Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren…“. Diesen Satz hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 16.07.1969 (Aktenzeichen 1 BvL 19/63 – http://www.rechtsanwaltmoebius.de/urteil/bverfg_urteil_1-bvl-19-63-mikrozensus.html) den politisch Handelnden in Exekutive und Legislative ins Stammbuch geschrieben.

Im Zeitalter elektronischer Datenverarbeitung scheint das bei den politisch Verantwortlichen in Vergessenheit geraten zu sein. Wie anders ist es erklärbar, dass jeder Mensch von Geburt an mit der lebenslangen Steuer-ID (Rechtsgrundlage: § 139 Abgabenordnung – http://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__139b.html), der lebenslangen Krankenversichertennummer (Rechtsgrundlage: § 290 SGB V – http://dejure.org/gesetze/SGB_V/290.html) und spätestens mit Eintritt ins Berufsleben der lebenslangen Sozialversicherungsnummer (Rechtsgrundlage: §§ 18f – 18h SGB IV – http://dejure.org/gesetze/SGB_IV/18f.html) zum gläsernen Staatsbürger gemacht wird. Denn mit Hilfe dieser drei Identifikationsmerkmale lassen sich nahezu alle Aktivitäten eines Menschen außerhalb seines allerprivatesten und intimsten Lebensbereiche ihm zuordnen und auswerten.

Um noch einmal das Bundesverfassungsgericht zu Wort kommen zu lassen. Es hat in seiner
Entscheidung vom 16.07.1969 auch festgestellt: „In der Wertordnung des Grundgesetzes ist die Menschenwürde der oberste Wert… Damit gewährt das Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist… Es widerspricht der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staat zu machen… Ein solches Eindringen in den Persönlichkeitsbereich durch eine umfassende Einsichtnahme in die persönlichen Verhältnisse seiner Bürger ist dem Staat auch deshalb versagt, weil dem Einzelnen um der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein ‚Innenraum‘ verbleiben muß, in dem er ‚sich selbst besitzt‘ und ‚in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt‘…In diesen Bereich kann der Staat unter Umständen bereits durch eine – wenn auch bewertungsneutrale – Einsichtnahme eingreifen, die die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme zu hemmen vermag…“

  • Wenn diese Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts künftig nicht einmal bei den sensibelsten Daten der Menschen – ihren Gesundheits- bzw. Krankheitsdaten – Berücksichtigung finden,
  • wenn die Pläne von Minister Gröhe mit seinem E-Health-Gesetz Wirklichkeit werden,
  • wenn die Gesundheits- bzw. Krankheitsdaten der gesetzlich Versicherten Menschen in den Telematik-Strukturen gesammelt werden und zur Auswertung bereit stehen,

dann wird George Orwells 1984 – seiner Phantasie von der Überwachung im fiktiven Staat Ozeanien – von der Realität in der Berliner Republik des Jahres 2015 übertroffen.

9 Kommentare

  1. Dazu passend ein Beitrag in der FAZ von gestern:
    Big Data und Politik – Brauchen wir noch Gesetze, wenn Rechner herrschen?
    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-digital-debatte/big-data-und-politik-brauchen-wir-noch-gesetze-wenn-rechner-herrschen-13356219.html

  2. Ich finde es super! Fehlt nur noch die Kostenübernahme für den Tattoowierer, der mir die zwei Nummern auf den Unterarm tatoowiert. Vielleicht brauche ich dann auch kein Bild mehr auf der Karte und vielleicht auch keinen Namen mehr.

  3. Wohl wahr wohl wahr, aber was können wir denn wirklich außer uns dagegen voerst nur mit einem papiergebundenen Versicherungsnachweis, zu wehren? Es wir einem wirklich Angst und Bang, wenn man das hört. Wie ist das in unserer Welt überhaupt möglich, daß wir alle zu Dingen gezwungen werden , die wir nicht wollen und ablehnen und sogar noch dafür bestraft werden. Wo bleibt das Recht auf „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.
    Trotzdem kann ich nur an alle appellieren: Bleibt standhaft und tapfer und kämpft weiter dagegen. Nur gemeinsam sind wir stark und können etwas erreichen.
    Gruß Mona

  4. Ist es nicht so, dass mit der Vergabe der Krankenversichertennummer der Widerstand gegen die eGk ausgehebelt wird? Denn was unter dieser Krankenversichertennummer an Leistungen abgerechnet wird, ist im System und kann ausgewertet werden. Die Verweigerung der eGk läuft damit ins Leere.

  5. eines war leider schon lange wahr geworden…seit der GROKO machen die in Berlin, was sie wollen und unser Tanzbärchen SIGGI wendet sich immer so wie früher die Wendehälse…
    Ich bin zwar kein blau-gelber Fan würde aber nächstes mal die FDP aus dem Dornröschenschlaf wecken…in HH in 4 Wochen schaffen die sowieso den Sprung zurück…denn soviel ich weiss sind die immer noch gegen die VORRATSSPEICHERUNG. Zudem waren die geradezu hellhörig, als ich dort mal den Amoklauf von MDB Gröhe und die aktuellen Auswirkungen beschrieb…
    Die Hauptschuldige sitzt aber im Kanzleramt, unsere ANGIE war viel zu lange Parteisekretärin und führt uns soeben vor, wie man eine NEUE STASI aufbaut…(und die Akte Merkel darf ja immer noch keiner einsehen – immer noch Hochsicherheits-Dokument !!!)

    1. @Werner…wobei FDP immer Koalition mit CDU machen würde…acuh die Linke sind gegen Datenspeicherung…schaue mir grad die heutige Sitzung an…kann man live sehen um 20.30 nimmt sich die Linke nochmal des Themas elektronische Gesundheitskarte an…wer schauen will: im Netz auf Bundestag gehen, dann Mediathek Sitzung 15. 1. Saak 1 anklicken…findet iht schon…

  6. Es wird sehr deutlich wie die Entrechtung weiter betrieben wird. Wir sollen unaufhaltsam zu Objekten und Waren gemacht werden. Das Bundesverfassungsgericht hält 1969 die Registrierung mit der Menschenwürde nicht vereinbar, wenn diese Z W A N G S W E I S E geschehe. Also ist ganz klar weiter Widerstand angesagt, nur so lässt sich auch die Schutzklausel des Bundesverfassungsgericht anwenden.

  7. Lilli
    Dieser Zustand ist unerträglich .
    Aber jamern hilft nicht !!!!!!!!!!!!!!
    Wer was tun will. Und das sollten alle-KASSENPATIENTEN tun außer sie sind auf Millionen gebettet.
    Da ich was T U N will und das Gesetz so auch nicht hinnehmen muß, will das nicht so hinnehmen.
    Da mit Info und Sicherheit schon immer die Stärke jedes Menschen gewachsen ist.

    Wer kann kommt am Freitag 20.215. um 19 00 in die U L M ER S T U B E ( Hotel 2 Min vom Bahnh. )

    „““Gute Info s über die E Karte“““. Und hilft gegen die innere Machtlosigkeit und Angst.
    Was die noch mit uns Kassenpatienten machen wollen geht gar nicht .Noch ist nicht s verloren.
    Hallo wir sind so viele…. Es geht immer weiter !! Du bist nicht alleine .Überzeug Dich und komm.

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